Sams Wal von Katherine Scholes. Jugendbuchempfehlung
Katherine Scholes:
Sams Wal
1. Bibliografische Angaben und Lesestufe
- Katherine Scholes: Sams Wal. Ravensburg: Ravensburger, 2007, 64 S. (mit Bildern von Quint Buchholz, aus dem Englischen von Ulli und Herbert Günther, Originaltitel: The Boy and the Whale)
- Lesestufe: 5. Klasse
2. Inhaltsangabe
Der australische Junge Sam findet eines Morgens am Strand einen schwachen, aber noch lebenden Zwergpottwal. Da die Sonne allmählich steigt, übergießt er ihn mit Wasser und bedeckt ihn mit Seetang. Sam weiß, dass der Wal wieder ins Meer gelangen muss, um zu überleben, und dass er trotz der in einigen Stunden erwarteten Flut Hilfe benötigt. Der Junge schickt seinen Hund mit einer Botschaft nach Hause zu seiner Schwester, die den Naturwissenschaftler Angus benachrichtigen soll. Während Sam auf Hilfe wartet, baut er dem Tier ein Schatten spendendes Dach und verteidigt es gegen zwei Fischer, die Brüder Higgs, die an den Zähnen des seltenen Zwergpottwals interessiert sind. Durch sein mutiges Eingreifen kann Sam die Trophäensammler von dem Wal fernhalten, bis Angus auftaucht und sie den Strand verlassen. Mit großem körperlichen Einsatz gelingt es Sam und Angus, dem Wal mit der einsetzenden Flut wieder ins offene Meer zu verhelfen.
3. Kurzinformationen zur Autorin
Katherine Scholes wurde 1954 in Tansania geboren und lebt heute in Australien. Sie arbeitet in der Filmbranche und als Schriftstellerin. Sams Wal ist ihr erstes Kinderbuch und machte sie berühmt; es wurde in mehrere Sprachen übersetzt, erhielt den Whitley Book Award und war sowohl für den Australischen als auch den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Scholes mystischer Kinderroman Die Nacht der Vögel, ebenfalls von Quint Buchholz illustriert, eignet sich gleichermaßen als Klassenlektüre oder für ein Tier- und Naturschutzprojekt im Unterricht. Auch ihre Romane für Erwachsene sind international sehr erfolgreich; besonders Die Regenkönigin und Die Traumtänzerin sind hier zu nennen.
4. Allgemeine Einordnung
Sams Wal eignet sich aus vielen Gründen für den Einsatz im Deutschunterricht einer 5. Jahrgangsstufe oder auch einer 4. Grundschulklasse. Die Handlung schafft besonders bei den oft weniger lesebegeisterten Jungen sofort eine hohe Lesemotivation. Die Schüler träumen sich gerne in die abenteuerliche Geschichte ein, einen Wal am Strand zu finden; es sollte natürlich unbedingt geklärt werden, wo Tasmanien (S. 16) eigentlich liegt und ob es uns an der Nord- oder Ostsee auch passieren kann, beim Morgenspaziergang einem Wal zu begegnen. Die Kinder sind fasziniert von dem Wal, identifizieren sich sehr stark mit dem Protagonisten Sam, bewundern dessen Verantwortungsbewusstsein in einer Extremsituation und entwickeln ein sehr großes Interesse an der Problematik des Artenschutzes; besonders beim Auftauchen der beiden Fischer, die den Wal töten wollen, zeigen sie sich entrüstet über deren Skrupellosigkeit. Die Geschichte ist also nicht nur spannend (Wird das Tier überleben?) und sehr emotional (Sam entwickelt eine immer engere Beziehung zu „seinem“ Wal), sondern regt gleichzeitig auch sachliches Interesse (z. B. an der Tierart Wal, an den Gezeiten, …) an. Eine Sensibilisierung für den Arten- und Naturschutz durch die Behandlung dieser Sachthemen könnte im Fach Biologie bzw. Sachkunde stattfinden. Die Erzählung bietet aber auch weitere gewinnbringende Möglichkeiten zum fächerübergreifenden Arbeiten: Die Verantwortung der Menschen für ihre Umwelt wäre ein geeignetes Thema für den Religions- oder Ethikunterricht und auch für das Fach Kunst sind zahlreiche Anknüpfungspunkte denkbar, so können verschiedene Szenen gemalt oder ein Walmobile gebastelt werden. Schließlich schafft der geringe Umfang der Erzählung von nur knapp 60 Seiten mit zahlreichen Abbildungen bei den Schülern schnell das Erfolgserlebnis, ein ganzes Buch gelesen zu haben. Um die Geschichte im Unterricht vorzulesen, ist sie zu umfangreich, außerdem nähme man den Kindern so das Gefühl, das Buch selbst gelesen zu haben. Es sollte daher auf jeden Fall im Klassensatz angeschafft und von jedem Schüler gelesen werden.
5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten
Die Erzählung umfasst, wie bereits angesprochen, nur knapp 60 Seiten. Die sieben Kapitel sind nochmals in kürzere Sinnabschnitte unterteilt, so dass die Schüler die chronologisch erzählte Handlung problemlos bewältigen. Die Sprache ist sehr einfühlsam, die Kinder können sich sehr schnell in die geschilderte Situation versetzen. Spannung entsteht natürlich besonders durch die zentrale Frage, ob es Sam gelingen wird, den Wal zu retten; viele kleinere Spannungsmomente (Gelingt es dem Hund, Hilfe zu holen? Wie reagieren die Fischer auf Sams Fund am Strand?) halten darüber hinaus die Lesemotivation aufrecht. Auch die Ästhetik des Wals, der immer wieder mit der Schwanzflosse schlägt, durch das Atemloch Luft ausstößt und Sam mit großen Augen ansieht, fasziniert die jungen Leser. Unterstützt wird die Wirkung des Textes durch die zahlreichen Bleistiftzeichnungen von Quint Buchholz.
6. Didaktische Anregungen
Unterrichtseinstiege
Vor dem Lesen kann man die Schüler ganz unterschiedlich an das Buch heranführen. Bei einem Einstieg über die Tierart Wal bietet sich besonders eine Kooperation mit dem Biologieunterricht an, der idealerweise einige Tage vorher mit diesem Thema beginnt. Man präsentiert den Schülern dann zunächst einen schwimmenden (S. 6) und einen gestrandeten Wal (S. 13) auf einer Folie. Der Gegensatz der beiden Bilder wird eine Diskussion anregen, die auf die Problematik des Buches hinarbeitet. Alternativ liest man im Sitzkreis den Anfang der Geschichte vor (bis S. 12: „Er lebt … er ist LEBENDIG!“) und lässt die Schüler die Situation beschreiben. Anschließend sollen sie (evtl. auch schriftlich) Sams Gedanken nach dem Fund formulieren, spekulieren, was er nun tun wird, und ihm Vorschläge machen, wie er sich verhalten soll. Will man die Schüler zunächst unabhängig von der Problematik an das Buch heranführen, so kann man sie bitten zu berichten, was sie schon einmal an einem Strand gefunden haben, oder eine Abenteuergeschichte zum Thema „Ein Morgen am Meer“ zu schreiben (hier kann das Bild auf den Seiten 8 – 9 als Anregung auf einer Folie dienen).
Thementisch „Sams Wal“
Während der gesamten Unterrichtsreihe werden auf einem Tisch in der Klasse Materialien rund um die Themen der Lektüre gesammelt. Man sollte die Schüler immer wieder auffordern, neue Gegenstände für den Tisch zu suchen bzw. selbst zu gestalten, so dass dieser im Laufe der Zeit wächst. Einige Ideen:
- Sachbücher zum Leben im Meer • eigene Fundstücke vom Strand (Muscheln, Steine, …)
- selbst ausgedachte Geschichten zum Thema • der Zettel, den Sam seinem Hund mitgibt, um Hilfe zu holen
- Zeichnung eines Walgebisses • Informationen über Umweltschutzgruppen
- aktuelle Zeitungsartikel zum Thema Umweltschutz
Falls jedes Kind den Auftrag erhält, im Laufe der Unterrichtsreihe mindestens einmal etwas mitzubringen, regt das oft auch zu Hause Gespräche über die Themen des Unterrichts an. Als Lehrer stellt man auf dem Tisch unterschiedliche Arbeitsblätter für eine Freiarbeit zur Verfügung; auch hier einige Vorschläge:
- Partnerdiktate mit Texten zum Thema „Wal“
- Arbeitsanleitungen zum Basteln von Walfensterbildern • Texte über den Walfang
- Informationen zum Artenschutz • Arbeitsblätter zu den Körperteilen des Wals
Der Thementisch kann in engagierten Klassen zu einem festen Bestandteil jedes thematischen Unterrichtsvorhabens werden.
Basteln eines Dioramas
Die Szene, in der Sam mit dem Wal am Strand auf Angus wartet, kann sehr schön mit Hilfe eines Schuhkartons gebastelt werden. Zunächst werden auf den Boden des Kartons der Strand (Sand oder gelber Tonkarton) und das Meer (Folie, blauer Karton oder blaue Wolle) aufgeklebt. Aus Pappe schneidet man Sam, den Wal, evtl. auch die Higgs-Brüder, Sams Hund und Angus aus und klebt die Figuren an Stäbe (z. B. Schaschlikspieße). In die hintere lange Seite des Schuhkartons wird ein Spalt geschnitten, durch den die Figuren geführt werden. Nun können die Schüler die Handlung des Buches nachspielen und in Paaren die kleinen „Theaterstücke“ dann auch der Klasse vorführen. Das Basteln dieses Kartons kann natürlich sehr schön fächerübergreifend mit dem Kunstunterricht geschehen, dort können die Kinder diesen auch noch weiter gestalten (Muscheln einkleben, Himmel und das Wäldchen in der Nähe des Strandes einzeichnen, …).
Schreibübungen
Sams Wal bietet zahlreiche Schreibanlässe, um die Schüler zur eigenen Textproduktion anzuregen. Sie können an mehreren Stellen der Handlung (beim Finden des Wals, beim Eintreffen der Higgs-Brüder, bei der Rückkehr des Hundes, …) Sams Gedanken formulieren. Innere Monologe der Higgs-Brüder, als sich Sam ihnen entgegenstellt, sind ebenfalls denkbar. Auch das Telefonat zwischen Emma und Angus könnte aufgeschrieben werden. Nach der Lektüre des ganzen Buches können die Schüler einen Zeitungsbericht über Sams „Heldentat“ und vielleicht auch ein Interview mit Angus und Sam verfassen. Interessant wäre es auch, Sam erklären zu lassen, wieso er nicht nur glücklich ist, als „sein“ Wal wieder ins Meer zurück gelangt (vgl. dazu unten). Darüber hinaus kann man auch ausgehend von der Geschichte Wortfelder sammeln (z. B. zum Thema „Strand“) oder, da die Sprache des Buches sehr kindgerecht ist, Auszüge für ein Partner- oder Abschreibdiktat nutzen.
Die Hauptfigur: Sam übernimmt Verantwortung
Um den Protagonisten Sam zu charakterisieren, wird zunächst das 3. Kapitel (evtl. wiederholend) bis S. 28 („Mein Wal, dachte er. Mein Wal. Mein Wal. Ich werde dir helfen, dachte der Junge.“) (vor-)gelesen. Die Schüler versuchen zu erklären, warum Sam das Tier als „seinen Wal“ bezeichnet. Im Unterrichtsgespräch sollte deutlich werden, dass es sich hier nicht um Besitzansprüche handelt, sondern dass Sam sich verantwortlich fühlt und eine freundschaftliche Beziehung zu dem Tier aufgebaut hat. Nun bittet man die Kinder aufzuschreiben, was Sam an dieser Stelle des Textes wohl sagen würde, könnte er die „Walsprache“ sprechen. Anschließend lesen einige Schüler ihre Texte vor; die anderen haben dabei die Aufgabe, daraus Charaktereigenschaften von Sam abzuleiten (Warum hätte man ihn z. B. gern zum Freund?). Vertiefend kann man am Beispiel Haustier nochmals auf den Unterschied zwischen Besitzansprüchen auf und Verantwortung für ein Tier eingehen: Einen Hamster, einen Hund oder auch einen guten Freund „besitzt“ man nicht, man kann nur für ihn da sein und muss immer seine Wünsche und Bedürfnisse respektieren. Dieser Unterschied ist am Ende der Lektüre wieder aufzugreifen: Der Wal hat überlebt und schwimmt ins Meer hinaus, worüber sich Sam natürlich freut; gleichzeitig ist er aber auch traurig, weil er „seinen“ Wal verloren hat. Hier können die Schüler einen inneren Monolog von Sam schreiben.
Natur- und Artenschutz
Ein Schwerpunkt bei der Behandlung der Erzählung sollte der Umweltschutz sein. Schnell löst das Schicksal des Wals Betroffenheit aus und spätestens beim Auftauchen der Trophäensammler reagieren die Schüler oft entsetzt. Diese Emotionalität motiviert die Kinder sehr stark, sich mit dem Artenschutz zu beschäftigen. Hierzu können verschiedene Expertengruppen gebildet werden, die entweder Informationsmaterial vom Lehrer erhalten oder dies eigenständig z. B. aus den Sachbüchern vom Thementisch erarbeiten und ihr Thema (bedrohte Tierarten, Warum töten Menschen Wale?, die Verschmutzung der Meere, die Arbeit einer Umweltschutzorganisation, …) in einem Vortrag präsentieren. Oft zeigen die Schüler besonderes Interesse daran, einzelne Tierarten genauer kennenzulernen, was durch Steckbriefe unterschiedlicher bedrohter Tierarten, die im Biologie- bzw. Sachkundeunterricht erstellt werden, geschehen kann. Hier sollte dann besonders das jeweilige Interesse der Menschen an der Verfolgung bzw. Zerstörung der Lebensräume besprochen werden. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, ist es natürlich sehr gewinnbringend, einen Experten (z. B. einen Mitarbeiter einer Umweltschutzorganisation) in die Klasse einzuladen. Dieser kann entweder Fragen beantworten und von seinen Erfahrungen erzählen oder während der oben beschriebenen Gruppenarbeit als Berater fungieren. Nach der Beschäftigung mit diesem Thema haben die Kinder oft den Wunsch, selbst zu helfen. Dies kann unterschiedlich geschehen. Die Schüler können einen Zeitungsartikel über ihre Arbeit im Unterricht und das Expertengespräch schreiben oder einer Umweltschutzorganisation beispielsweise die Einnahmen vom letzten Schulfest spenden. Die Auswahl der Organisation kann man zum Anlass nehmen, die Schüler in Gruppen jeweils eine Organisation vorstellen zu lassen (Informationen finden sich meist auf deren Websites). In einem kleinen Plädoyer soll jede Gruppe dann argumentieren, warum gerade „ihre“ Organisation das Geld erhalten soll.
empfohlen von Christiane Althoff