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Hilfe! Mein Gefieder ist voll Öl von Dieuwke Winsemius. Jugendbuchempfehlung

Dieuwke Winsemius:

Hilfe! Mein Gefieder ist voll Öl

1. Bibliografische Angaben und Lesestufe

  • Dieuwke Winsemius: Hilfe! Mein Gefieder ist voll Öl. München: Verlag: dtv junior, 2006, 128 S. (mit Zeichnungen von Angela Weinhold, aus dem Niederländischen von Florentine und Hans Edmund Naylor, Originaltitel: Help! Olie op mijn verenpak!)
  • Lesestufe: 5. Klasse

2. Inhaltsangabe

Bei einem Sturm werden in einem Dorf an der Nordsee zahlreiche ölverschmierte Trottellummen an den Strand geschwemmt. Nachdem Frau Kelly die Vögel entdeckt hat, platzt sie in den Unterricht ihrer Enkeltochter Tina und initiiert eine Rettungsaktion: Die Schüler sammeln mit der Unterstützung einiger Mitbürger die noch lebenden Vögel auf und bringen sie in eine Vogelauffangstelle, wo sie gewaschen und bis zu ihrer Freilassung gepflegt werden. Die Kinder helfen tatkräftig mit, indem sie sich um die Nahrung für die Tiere kümmern und schließlich einen Flohmarkt organisieren, mit dessen Erlös sie die Station unterstützen. Neben der Umweltschutzthematik handelt das Buch auch von der Entwicklung der Hauptfigur Tina. Während sie am Anfang als verwaistes und stilles Mädchen, das bei seiner armen Großmutter aufwächst, eine Außenseiterposition in der Klasse hat, tritt sie im Laufe der Handlung immer mehr aus diesem Schatten heraus. Sie wird von einem Fernsehsender interviewt, hat Kontakte zu erfahrenen Tierschützern, die sie bei der Waschung der Vögel zu Hilfe holt, und gewinnt einen Aufsatzwettbewerb mit ihrem einfühlsamen Erlebnisbericht aus der Sicht einer Trottellumme. Es entwickelt sich eine Freundschaft zu ihrem Mitschüler Matthias und ihr Ansehen in der Klasse wächst. Der Besuch bei dem kinderlosen Vogelschützer Erik am Ende der Erzählung deutet an, dass Tina auch nach dem Tod ihrer Großmutter nicht allein sein wird.

3. Kurzinformationen zur Autorin

Die niederländische Schriftstellerin Dieuwke Winsemius schreibt sowohl geschichtliche Romane für Erwachsene als auch Jugendbücher. Wie Hilfe! Mein Gefieder ist voll Öl beschäftigt sich auch ihre zweite in Deutschland erschienene Erzählung Das Findelkind vom Watt (siehe Besprechung in diesem Buch) mit der Zerstörung der Natur und der Verantwortung des Menschen für andere Lebewesen. Beide Bücher basieren auf authentischen Ereignissen.

4. Allgemeine Einordnung

Die Erzählung Hilfe! Mein Gefieder ist voll Öl eignet sich für 5. Klassen von weiterführenden Schulen, aber auch bereits für die 4. Jahrgangsstufe der Grundschule. Die Lektüre sollte immer in ein fächerübergreifendes Projekt zum Tierund Umweltschutz mit dem Biologie- und Erdkundeunterricht eingebunden sein, um nicht auf zahlreiche Lernchancen zu verzichten. Auch wenn von einer rein textimmanenten Behandlung abzuraten ist, so gibt es doch neben der Sachthematik auf der fiktiven Handlungsebene lohnende Ansatzpunkte: Legt man den Schwerpunkt auf die Figur Tina, so kann man darüber sprechen, was es heißt, Außenseiter zu sein, welche Gründe bei der Protagonistin dazu geführt haben und wie sie ihre Rolle überwindet. Außerdem enthält das Buch zahlreiche Anspielungen auf Tinas Armut (z. B. das Tragen von selbstgestrickten Pullovern statt Markenkleidung), was ebenfalls ein Themenfeld sein kann, dem sich der Unterricht widmet. Die Schüler zeigen oft sehr viel Mitleid, weil Tina als Halbwaise und ohne Vater bei ihrer Großmutter aufwachsen muss. Auch dies kann im Unterricht im Zusammenhang mit dem Alter der Großmutter („Wenn Moma nur nicht stirbt! Wo soll ich denn dann hin?“, S. 27) und mit Tinas Beziehung zu Erik und seiner Frau aufgegriffen werden. Ein Schüler kann dazu auch das Buch Oma von Peter Härtling vorstellen, das sich mit derselben Problematik beschäftigt.

5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten

Die Erzählung umfasst etwa 120 Seiten, die in 17 Kapitel aufgeteilt sind. In jeweils einem Vorwort weisen ein Vorsitzender eines Vereins zum Schutz für Seevögel und der Direktor des niederländischen Instituts für Naturschutzerziehung auf die Bedeutung des Umweltschutzes hin. Die Sprache des Buches ist recht einfach, die Handlung wird chronologisch erzählt und ist somit ebenfalls eingängig, gleichzeitig aber auch facettenreich (Rettung der Vögel, Verschmutzung der Meere, Tinas familiäre Situation, die Klassengemeinschaft, …). Der Text wird von zahlreichen schönen Bleistiftzeichnungen unterbrochen, die den Lesefluss auflockern und außerdem die Anschauung erleichtern. Das Buch bietet sich besonders in leseschwachen Klassen im Haupt- und evtl. Realschulzweig an und kann sowohl vorbereitend als auch problemlos begleitend während der Besprechung gelesen werden. Hin und wieder empfiehlt es sich, eines der recht übersichtlichen Kapitel spannend vorzutragen oder gemeinsam mit den Schülern zu lesen.

6. Didaktische Anregungen

Unterrichtseinstiege
Falls es zu Beginn der Besprechung gerade einen aktuellen Fall von Umweltverschmutzung (z. B. ein Tankerunglück) gibt, bietet es sich natürlich an, diesen aufzugreifen. Wenn man mit der Klasse einen Zeitungsartikel liest und die Folgen des Vorfalls bespricht, werden die Schüler schnell erkennen, dass Menschen, Pflanzen und besonders auch Tiere betroffen sind. Alternativ oder anschließend kann man sehr schön über das Cover einen Zugang zu dem Thema herstellen. Die Kinder sollen sich zunächst Gedanken über den Titel machen, wobei deutlich wird, dass der Text auch in einer Sprechblase aus dem Schnabel des Vogels stehen könnte. Falls die Handlung noch nicht bekannt ist, erhalten die Schüler die Aufgabe, zu dem Titelbild eine Geschichte zu schreiben, entweder aus der Sicht des Vogels in dem Karton, des Mädchens oder eines allwissenden Erzählers. Dazu ist eine Farbkopie auf einer Folie ideal, denn wenn die Schüler bereits das Buch vor sich liegen haben, besteht die Gefahr, dass sie sich zu eng am Klappentext orientieren. Bei einer Schwarz-Weiß-Kopie ist die Verschmutzung des Strandes nicht erkennbar. Um die Geschichten etwas zu vereinheitlichen und später mit der Lektüre vergleichen zu können, gibt man die Namen der Protagonisten (Tina und Uria) vor.

Die Gefährdung der Tiere durch die Verschmutzung des Meeres
Wie bereits angesprochen ist eine Zusammenarbeit mit den Fächern Biologie und Erdkunde sehr zu empfehlen, um Hintergrundwissen zu erarbeiten. Im Biologieunterricht sollte besprochen werden, wieso Öl für das Gefieder der Vögel so gefährlich ist. Dies kann man sehr anschaulich machen, indem man zeigt, wie an einer Feder Wasser normalerweise abperlt. Wenn man die Feder gründlich mit Seife wäscht, verliert sie diese Eigenschaft. Nun wird den Kindern deutlich, wieso man die Tiere nicht einfach waschen und damit alle Probleme beseitigen kann. Hinzu kommt, dass die Vögel durch das Putzen ihres eigenen Körpers das Öl schlucken und so ihre inneren Organe vergiften. Auch dies muss im Unterricht erklärt werden. Außerdem sollte man die verschiedenen Vogelarten am Meer (und besonders die Trottellumme) behandeln. Die Schüler recherchieren, welche vom Aussterben bedroht sind, und stellen die Gründe dafür zusammen. Die Verschmutzung der Meere kann in Kooperation mit dem Erdkundeunterricht durchgenommen werden. Die Schüler können sich anhand der Namen der Schiffe im Internet über Tankerunglücke informieren. Die Erzählung geht allerdings nicht von einem Unglücksfall aus, sondern die Vögel sind von den Ölrückständen der alltäglichen Reinigung der Schiffe auf hoher See betroffen, was ebenfalls näher beleuchtet werden kann. Besonders interessant wäre es, an dieser Stelle einen Experten in den Unterricht einzuladen bzw. zu kontaktieren, um sich über die Gesetzeslage (Darf man Tanks im Meer reinigen?) und Gegenmaßnahmen zu informieren. Das Problem der Tierversuche, das im 1. Kapitel der Erzählung anklingt, könnte dann ebenfalls angesprochen werden. Zu denken ist dabei an einen ehrenamtlichen Mitarbeiter von Greenpeace oder WWF, zumeist stehen diese Organisationen den Schülern gerne Rede und Antwort. Vorbereitend könnte eine (leistungsstarke) Gruppe von Schülern Informationen über die Organisation sammeln und der Klasse mit einem Lernplakat oder in einem kleinen Vortrag vorstellen. Natürlich kann eine Befragung eines Experten auch als krönender Abschluss der Unterrichtsreihe geplant werden.

Tinas Rolle in der Klasse
Auch der zweite wichtige Handlungsstrang wird schon ganz zu Beginn angesprochen: Tinas Rolle in der Klasse. Die Schüler sollen alles zusammenstellen, was sie im 1. Kapitel (S. 11–16) über die Protagonistin und deren Lebenssituation erfahren: Die Mutter ist verstorben, als Tina noch ein Säugling war, und ihren Vater hat sie nie kennengelernt. Nun wächst das Mädchen bei der Großmutter „Moma“ (aus „Mama“ und „Oma“) auf. Diese ist sehr arm und sammelt oft Strandgut ein, um es zu verkaufen. Der Spott vieler Dorfbewohner darüber macht Tina wütend und aggressiv („Von jetzt an wird sie zuschlagen, wenn es irgendjemand noch einmal wagen sollte sich über Moma lustig zu machen. (…) Wer sich an Moma wagt, der wird etwas erleben!“, S. 14). Diese Informationen wird die Klasse sicher schnell zusammentragen, auf Anspielungen wie „Unsere unbekannte Größe meldet sich auch mal zu Worte.“ (S. 13) muss man evtl. hinweisen. Die Schüler sollen herausfinden, dass Tina in der Klasse sehr zurückhaltend, unauffällig und eine Außenseiterin ist. Von den Kindern, die bei reichen Eltern aufwachsen, wird sie nicht ernst genommen und kaum beachtet. Beim weiteren Lesen wird immer wieder überprüft, ob sich die erarbeiteten Eigenschaften bestätigen oder verändern. Als nächste Textstelle kann der Beginn des 3. Kapitels dienen. Nach dem Wochenende erzählen die Schüler von ihren Erlebnissen. „Eigentlich hätte Tina auch etwas erzählen können, aber sie tut es nicht. Sie findet es schön ein Geheimnis zu haben.“ (S. 23) Wieder tritt Tina als sehr still auf, keiner fragt, was sie erlebt hat. Im 2. Kapitel wurde bereits deutlich, dass Tina nur mit ihren Stofftieren und der Katze spielt. Auch am Ende des 3. Kapitels, nachdem ein Klassenfoto gemacht worden ist, zeigt sich noch einmal, dass Tina keine Freunde hat: „Matthias lässt Tina wieder los. Er sieht sich nicht ein einziges Mal mehr nach ihr um. Die meisten Kinder bleiben noch auf dem Schulhof. Tina nicht. Sie geht heim.“ (S. 26) Tinas Situation ändert sich im Zuge der Rettungsaktion für die Vögel. Hierzu können verschiedene Stationen der sich langsam entwickelnden Freundschaft zu Matthias und der Annäherung an die Klasse besprochen werden. Nach dem Einsammeln der Trottellummen kommt es zu einem ersten Gespräch zwischen Tina und Matthias („Er ist der Einzige, der immer nett zu ihr ist.“, S. 63). Neben dem verbindenden Ereignis, dass sie von einem Reporter interviewt werden, führt sie das Organisieren der Nahrung für die Tiere (ab S. 75) näher zusammen. Wie gut sie sich verstehen und wie sehr sich beide für den Umweltschutz engagieren, zeigt schließlich ihr gemeinsamer Wahrsagerstand auf dem Klassenflohmarkt (S. 98 –101). Schon diese Aktion, die von den Kindern und nicht den Lehrern getragen wird, stärkt den Klassenzusammenhalt, den Respekt der Mitschüler gewinnt Tina dann aber endgültig durch den Sieg im Aufsatzwettbewerb: Auf dem Schulhof werden noch ein paar Aufnahmen gemacht. „Du, Tina, ich möchte gern neben dir stehen“, sagt Hilbert. „Ich auch! Und ich? Und wo bleibe ich?“, rufen nun alle durcheinander. „Vergesst es“, antwortet Tina. „Matthias steht schon neben mir.“ Matthias grinst. Einen Augenblick lang legt er den Arm um Tinas Schulter. (S. 112) Sie selbst sieht diese plötzliche Zuneigung noch sehr skeptisch („weil ich nun zufällig gewonnen habe.“, ebd.). Dies kann man in der Klasse als Diskussionsanlass nehmen, ob das Interesse der anderen und die Freundschaft zu Matthias wohl echt und von Bestand sind.

Förderung der Lesemotivation
Eine wichtige Aufgabe des Lesens von Ganzschriften im Deutschunterricht ist die Leseförderung und das Wecken von Lesemotivation. Besonders in niedrigen Jahrgangsstufen sollte man daher noch nicht allzu viel Wert auf formale Aufsatzformen wie Personencharakteristik oder Inhaltsangabe legen. Wesentlich motivierender für die Schüler sind produktionsorientierte Schreibaufträge wie innere Monologe der Protagonisten, Fernsehreportagen und Interviews zu den Aktionen der Kinder (vielleicht sogar nachgestellt und gefilmt) oder Zeitungsartikel über die Ereignisse. Eine andere Idee, die den Kindern viel Freude bereitet und gleichzeitig das Leseverständnis fördert, ist ein Lesequiz. Nach dem Lesen formuliert jeder Schüler drei Fragen an die Lektüre auf Karteikarten und überlegt sich auch die entsprechenden Antworten. In einem Klassenquiz treten nun verschiedene Mannschaften mit ihren Fragen gegeneinander an. Die Bücher dürfen bei der Lösung zu Hilfe genommen werden, bei schwierigen Aufgaben weist der Lehrer als Tipp zusätzlich auf eine Seitenzahl hin. Alternativ geben die Schüler jeweils vier Antwortmöglichkeiten vor, die dann vom „Showmaster“ (in dieser Altersstufe wahrscheinlich der Lehrer) vorgelesen werden. In Anlehnung an die bekannte Fernsehsendung Wer wird Millionär? könnten die Mannschaften auch auf bestimmte Joker zurückgreifen dürfen. In leistungsstarken Klassen müssen sich die Fragen nicht auf die Lektüre beschränken, sondern können sich auch auf die im (fächerübergreifenden) Unterricht erarbeiteten Fakten beziehen.


empfohlen von Christiane Althoff