Gefahr aus dem Maisfeld von Nicolas Roth. Jugendbuchempfehlung
Nicolas Roth:
Gefahr aus dem Maisfeld
1. Bibliografische Angaben und Lesestufe
- Nicolas Roth: Gefahr aus dem Maisfeld. München: Omnibus, 2005, 128 S. (Ein Fall für die Greenteams, Bd. 5)
- Lesestufe: ab 6.–7. Klasse
2. Inhaltsangabe
Vernon Fields, knapp 13 Jahre alt und ein aufgeweckter und sehr intelligenter Junge, lebt in Iowa im Mittleren Westen der USA und stammt aus einer alteingesessenen Familie mit langer Farmer-Tradition. Obwohl oder gerade weil der elterliche Hof in existenzbedrohenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, wollen Paul und Kate Fields, dass ihr Sohn die private Highschool Rosewood besucht. Die prekäre finanzielle Situation wird etwas entschärft, als der Kredit der Familie verlängert wird – allerdings unter einer Bedingung: Sie muss ein Feld an den Saatgut- und Chemiekonzern ICC für Versuche mit genmanipuliertem Mais verpachten. Die neue Maiszüchtung „AgroFast“ wachse nicht nur schneller und habe bessere Eigenschaften, wirbt Mr Tuckle von ICC, sondern sei vor allem resistent gegen ein von der gleichen Firma entwickeltes Universal-Pestizid. Auch wenn für den Anbau eine offizielle Genehmigung vorliegt, ist den Fields nicht wohl bei der Sache. Die Beunruhigung wächst, als Vernon herausfindet, dass die Farm offensichtlich im Auftrag des Konzerns beobachtet wird, und schon bald geraten die Ereignisse ins Rollen: Umweltaktivisten kommen auf den Hof, um gegen das Projekt zu demonstrieren. Die Berichterstattung im Fernsehen ist reißerisch aufgemacht und versetzt die Farmer der Umgebung in Besorgnis, andererseits erhält Tuckle die Gelegenheit zu ausführlicher Selbstdarstellung und Verharmlosung. Vernon versucht, die Vorgänge zu verstehen, und beginnt, sich mit dem Thema Genmanipulation kritisch auseinanderzusetzen; dabei liest er von dem hohen Risiko hinsichtlich der unabsehbaren Auswirkungen auf Mensch und Natur. Inzwischen hat Vernon erfahren, dass er einer der Auserwählten für die Rosewood Highschool ist. Um ein Stipendium zu erhalten, ohne das die Schulgebühren nur durch den Verkauf des Hofes aufgebracht werden könnten, muss er sich gegen zwei Mitschüler durchsetzen. Die anhaltende Aufregung um den Genmais lenkt seine Aufmerksamkeit jedoch immer wieder von der Prüfungsvorbereitung ab: Ein Gentechnik-Experte von Greenpeace sucht die Farm auf und Aktivisten verteilen sich in Form eines Totenkopfes über das Testfeld, was aus der Luft von dem Nachrichtensender CNN gefilmt wird. Zugleich informiert Greenpeace mit Flugblättern die Anwohner in der Umgebung. Tuckle hat zwar Respekt vor der guten Organisation der Greenpeace-Mitarbeiter, gibt sich aber gelassen. Bei Paul Fields steigt die Nervosität, die drohende Konventionalstrafe hält ihn allerdings von einem Vertragsbruch ab. Die Situation entspannt sich nicht; Mitarbeiter von ICC errichten ein umfangreiches Überwachungssystem auf der Farm, die Genmais-Gegner versammeln sich weiterhin am Feld. Ein – ausgerechnet wohlhabender – Mitschüler unterstellt Vernon, der Versuch mit dem Genmais sei der Preis für das Stipendium und die Prüfung reine Inszenierung. Auch wenn sein bester Freund Spike und die neue Mitschülerin Kinsey zu ihm halten, ist Vernon hart getroffen. Tatsächlich bietet ihm Tuckle unmittelbar nach der Prüfung das Stipendium – das von einer Bank vergeben wird, an der ICC als Aktionär beteiligt ist – als „Schweigegeld“ an: Der Junge soll seine Eltern nicht weiter verunsichern, um den Ablauf der Aktion nicht zu stören. Vernon lehnt das Angebot ab, als Tuckle ihm bestätigt, was er bereits vermutet hat: Greenpeace wurde von dem Konzern selbst auf das Projekt aufmerksam gemacht, der Aufruhr provoziert und die Fields wissentlich in diese unangenehme Situation gebracht. Nun will man das Image der Umweltschutzorganisation schädigen, indem man sie entweder zur vorzeitigen Aufgabe zwingt oder in der Auseinandersetzung als Feind der Farmer bloßstellt. Neben Geld scheint auch Rache ein wichtiges Motiv zu sein; wegen Greenpeace musste bereits ein Freilandversuch mit genetisch veränderten Pflanzen abgebrochen werden. Das Versuchsfeld für die neue Maiszüchtung wird inzwischen zum „Hochsicherheitstrakt“ ausgebaut, denn die Aussaat steht unmittelbar bevor. Demonstranten haben sich versammelt und zahlreiche Farmer sind mit ihren Schleppern erschienen, um den Weg zu blockieren. Die Fields versuchen mehrmals, sich im letzten Moment dem Projekt zu verweigern, doch Tuckle setzt erfolgreich das Stipendium für den Sohn als Druckmittel ein. Während der Vorbereitung der Aussaat schleicht sich Vernon mit seinen Freunden zur Scheune, kann dort seinen Vater endgültig zur Weigerung überreden und gewinnt ihn für seinen Plan: Die Anhänger werden vertauscht und die Genmais-Gegner von Spike und Kinsey eingeweiht, so dass sie den Weg zum Feld freigeben, wo Paul und Vernon mit der Arbeit beginnen. Tuckle glaubt sich am Ziel und gibt im Anschluss an die Aussaat eine Pressekonferenz – für ihn „Showtime“. Paul beginnt jedoch nicht mit dem ihm zuvor diktierten Statement, sondern redet überraschenderweise offen über den Zwang durch die Bank, sich für eine Verlängerung des Kredits auf den Versuch einzulassen, sowie über die Befürchtungen der Bevölkerung, die wie er den Genmais ablehnt. Er bringt Tuckle vor laufender Kamera dazu, anzuerkennen, dass er, Fields, seinen Teil des Vertrags nun erfüllt habe. Anschließend öffnet er den Anhänger und offenbart die Vertauschung des eingefärbten, genmanipulierten mit dem traditionellen Saatgut, die er auf ein „Versehen“ der ICC-Mitarbeiter zurückführt. Auch das Problem der Schulgebühren löst sich einige Tage später: Vernon hat als Bester die Ausscheidung um das Stipendium gewonnen (und Kinsey als Freundin dazu).
3. Kurzinformationen zum Autor
Jahrgang 1968, Reisejournalist und Kinder- und Jugendbuchschriftsteller – soweit die Angaben des Verlags zur Biografie von Nicolas Roth. Dabei handelt es sich allerdings um ein Pseudonym, hinter dem sich das sehr erfolgreiche Autorenteam Gerit Kopietz und Jörg Sommer verbirgt, das schon über 150 Titel unter eigenen Namen und verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht hat. Die Reihe Ein Fall für die Greenteams um junge Umweltschützer, die Kopietz und Sommer zusammen mit Greenpeace konzipierten, verbindet spannende Jugendlektüre mit der Sensibilisierung für die Umweltproblematik. Für die bis dato erschienen fünf Bände (siehe die Besprechungen zweier weiterer Titel in diesem Buch) erhielten die Autoren den Buchpreis der Deutschen Umweltstiftung 2005/2006.
4. Allgemeine Einordnung
Den Hintergrund für Gefahr aus dem Maisfeld bildet die Diskussion um genmanipulierte Lebensmittel, die ungefähr seit den 1990er Jahren geführt wird und in der sich verschiedene Umweltorganisationen wie z. B. Greenpeace oder foodwatch als Gegner engagieren. Das vorliegende Buch, das – wie schon der Titel andeutet – eine sehr kritische Auseinandersetzung mit dem Thema ist, erscheint dann auch als fünfter Band der Reihe Ein Fall für die Greenteams in Zusammenarbeit mit Greenpeace und liefert den Jugendlichen im Anhang Informationen und Tipps für eigene Aktionen. Angesprochen wird auch der eng damit zusammenhängende Problemkreis der Krise der Landwirtschaft, die aus einerseits steigenden Erzeugerpreisen und andererseits sinkenden Erlösen angesichts des Überangebots resultiert. Themen wie die Auswirkungen des internationalen Wettbewerbs und der Globalisierung auf die Landwirtschaft, die Hungersnot in der sogenannten Dritten Welt, die Verdrängung traditionellen Landbaus sowie die Veränderung von Ernährungsgewohnheiten können ausgehend von der Lektüre diskutiert werden.
5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten
Das Buch wird überwiegend personal aus der Sicht Vernons erzählt, es gibt nur wenige und leicht zu bewältigende Perspektivenwechsel. Die Sprache ist weitgehend sachlich und angemessen. Einige eingestreute Elemente wie Flugblätter, Plakat- und Broschürentexte und ein Interview stören den Lesefluss nicht, sondern machen das Buch interessanter. In der Zeichnung der Figuren, besonders des „Bösewichts“ Tuckle, kommt es mitunter zu etwas übertriebener Schwarzweißmalerei, die im Interesse der Sache und der Verständlichkeit für junge Leser noch vertretbar erscheint. Das Ende der chronologischen Erzählung ist abgeschlossen und beinahe schon etwas zu märchenhaft: Der Chemiekonzern ist geschlagen, Vernon hat das Stipendium bekommen und zugleich noch eine Freundin gefunden. Aber auch dieser Schluss trägt dazu bei, dass Gefahr aus dem Maisfeld von jüngeren Schülern gut bewältigt und insofern problemlos ab der 6. oder 7. Jahrgangsstufe gelesen werden kann. Einzig die Kapitelüberschriften, die sich zu wenig nachvollziehbar auf den jeweiligen Inhalt beziehen, stehen der Lesbarkeit im Weg.
6. Didaktische Anregungen
In Gefahr aus dem Maisfeld geht es vorwiegend um die Anteilnahme am Schicksal der Hauptfigur Vernon Fields, um die kritische Distanzierung von dem „Bösewicht“ Tuckle und sachlich um den Komplex „genmanipulierte Lebensmittel“. Entsprechend wird ein wesentlicher Zugang über die sukzessive Behandlung des Inhalts hinaus in Formen der Beschäftigung mit den Konflikten und Handlungen der Hauptfiguren liegen. Vorschläge dazu sind:
- Kinsey, die möglicherweise vorher in einer Großstadt wie Chicago oder New York gelebt hat, kommt in die amerikanische Provinz und schreibt über Land und Leute. → Tagebuch, Brief
- Kreditverhandlungen: Vernons Vater in der Bank → Protokoll • Gespräch der Umweltaktivisten: Was tun gegen den Versuch auf der Fields-Farm? → Diskussion
- Paul und Kate Fields sprechen über den unglücklichen Vorfall bei einer Protestaktion: Paul hat versehentlich Kinseys Mutter verletzt. → Dialog
- Auch Tuckle hat einen Chef. Diesem schreibt er nach seinem TV-Statement (Kap. 3), wie sich die Dinge entwickeln. Tenor: „Alles im Griff“. → Bericht
- Kinseys Gefühle gegenüber Vernon, gerade auch nach dem Unfall ihrer Mutter und seinem Misstrauen darüber, wer den Versuch öffentlich gemacht hat → Tagebuch, Brief, Dialog
- „Das Totenkopf-Feld“ (Kap. 4) → Zeichnung
- weitere mögliche Aktionen der Umweltschützer → neues Kapitel
- Konfrontation zwischen Tuckle und den Farmern der Umgebung → Diskussion
- Gespräch zwischen den Eltern und Tuckle, nachdem Vernon Tuckle mit seinen Vermutungen über dessen wahre Motive konfrontiert hat (Kap. 5) → Diskussion
- Tuckles Strategie im Zusammenhang, seine einzelnen Schritte und Motive → zusammenfassender Bericht
- Der Bauernhof als „Hochsicherheitstrakt“ → Zeichnung, auch Reportage • Auseinandersetzung zwischen Bürgermeister und Sheriff: „Wem gehört die Stadt?“ (vgl. S. 39, 102) → Dialog
- Was passiert in der Scheune? → Ergänzung des 8. Kapitels
- Paul Fields’ Entscheidung, bei der Pressekonferenz die Wahrheit zu sagen → innerer Monolog
- „Der Genmais-Versuch auf der Fields-Farm“ → abschließender Bericht (z. B. des Sheriffs und/oder Tuckles)
- Die Folgen: Was geschieht mit dem Genmais? → Bericht, weiteres Kapitel
Die Gestaltungsmöglichkeiten zum sachlichen Schwerpunkt „genmanipulierte Lebensmittel“ werden stark vom Alter, vom Interesse und von den Möglichkeiten der Schüler abhängen. Natürlich bieten sich Kurzvorträge zur Erarbeitung von Hintergrundwissen und als Einstieg in eine Diskussion an; mögliche Themen:
- Iowa und der Mittlere Westen der USA – Eigenarten des Landstrichs und der Bevölkerung
- Die Probleme der Landwirtschaft: steigende Kosten und Preisverfall
- Genmanipulierte Lebensmittel – Chancen und Risiken
- Bisherige Aktionen von Gegnern der Gentechnik (Darstellung und evtl. auch Bewertung, so ist z. B. das Zerstören von Feldern fragwürdig)
Eine kreativere Herangehensweise wäre die Gestaltung eines Werbespots, einer Zeitungsanzeige oder eines Schildes am Rand des Versuchsfelds mit dem Slogan „AgroFast – die Mais-Revolution“. Als begleitende Dokumentarfilme eignen sich We feed the world (Regie/Drehbuch: Erwin Wagenhofer. A 2005) und Septemberweizen (Regie/Drehbuch: Peter Krieg. BRD 1980). Letzterer ist trotz seines Alters noch sehr sehenswert, weil er die Strukturen der Saatgutkonzerne anschaulich am Beispiel des Weizens darstellt. Das Video ist über größere Bibliotheken und Bildstellen erhältlich.
empfohlen von Thomas Brand