Bitte beachten Sie, dass aufgrund der Weihnachtsfeiertage und Inventurarbeiten bis zum 06. Januar 2025 keine Auslieferung erfolgt. Digitale Produkte stehen weiterhin sofort zur Verfügung. Schöne Feiertage und einen guten Start ins neue Jahr!

Mein Warenkorb:

0 Artikel - 0,00 €
Sie haben keine Artikel im Warenkorb.

0

Eulen von Carl Hiaasen. Jugenbuchempfehlung

Carl Hiaasen:

Eulen

1. Bibliografische Angaben und Lesestufe

  • Carl Hiaasen: Eulen. Weinheim, Basel: Beltz & Gelberg, 2006, 360 S. (aus dem Amerikanischen von Birgitt Kollmann, Originaltitel: Hoot) 
  • Lesestufe: 6.–9. Klasse

2. Inhaltsangabe

Roy Eberhardt wohnt erst seit kurzem in Coconut Cove, einer kleinen Stadt in Florida. Er wäre lieber in Montana geblieben, dort, wo es neben wild gezackten Bergen und riesigen Rinderherden vor allem unberührte Natur mit Adlern, Eulen und Grizzlybären gibt. In Florida dagegen gibt es nur ebenes Land und drückende Hitze. Und in Coconut Cove? Einkaufszentren, in denen man Skateboard fahren kann, ein leeres Grundstück, auf dem die Restaurantkette „Mama Paula“ eine neue Pfannkuchenfiliale eröffnen will, und zu Roys speziellem Unglück Dana Matherson. Dana ist einer der gefürchtetsten Schläger der Schule und hat es schnell zu seiner Lieblingsbeschäftigung gemacht, das „Cowgirl“ aus Montana zu malträtieren. Eines Tages, als Roys Gesicht von Dana an das Schulbusfenster gedrückt wird, entdeckt er draußen einen etwa gleichaltrigen Jungen, der barfuß und ohne Schultasche die Straße entlangrennt. Roy ist auf den ersten Blick elektrisiert: Warum hat der Junge keine Schuhe an und wieso läuft er so schnell? Ist er ein Gesetzesbrecher, ein Vagabund oder einfach nur ein Schulschwänzer? Dieses Rätsel gibt Roys tristem Leben in der neuen Stadt eine spannende Richtung. Er hat plötzlich Fragen, deren Antworten ihn wirklich interessieren. Als er den geheimnisvollen Jungen ein paar Tage später wieder durch das Busfenster sieht, will er ihm deshalb unbedingt folgen. Kurzentschlossen schlägt er Dana, der ihn aufhält, mit der Faust ins Gesicht und springt aus dem Bus. Den fremden Jungen kann er jedoch nicht einholen und zunächst sieht es so aus, als ob er durch seine spontane Tat mehr verloren als gewonnen hätte: Bei der Verfolgung verletzt er sich, wegen seiner Gewalttat gegen Dana wird er vor die Schulleitung zitiert, Dana schwört Rache und Beatrice Leep, eine große, toughe Schulkameradin, befiehlt ihm außerdem, den rennenden Jungen in Ruhe zu lassen. Doch Roy lässt bei seiner Suche nicht locker und wendet gerade dadurch das Blatt. Denn als Beatrice merkt, dass es Roy ernst um den rätselhaften Jungen ist, gibt sie sich als dessen Stiefschwester zu erkennen, stellt den Kontakt zu dem Stiefbruder, genannt Fischfinger, her und beschützt Roy vor dem immer brutaler werdenden Dana. Je weniger Dana eine Gefahr ist, desto mehr nimmt Fischfinger Platz in Roys Leben ein. Fischfinger, der Junge, den seine Mutter immer wieder in einem Heim unterbringt, weil sie nichts mit ihm anfangen kann. Der Outcast, der jedes Mal wieder ausbricht – und nun in einem verlassenen Lieferwagen wohnt –, weil er nichts mit Heimen anfangen kann. Der Junge, der Fische mit der bloßen Hand fangen kann. Und der fanatische Tierschützer, der für ein paar Eulen jedes Risiko eingeht. Zum Beispiel jetzt gerade auf dem leeren Gelände, auf dem das neue Pfannkuchenhaus gebaut werden soll. Dort sind vor kurzem die seltenen Kanincheneulen in Erdlöchern, ihren Bruthöhlen, geschlüpft. Die Geschäftsführung von „Mama Paula“ interessiert sich dafür nicht. Das Grundstück ist vermessen, die Bulldozer stehen bereit, und der Wachmann, Curly, auf seinem Posten. Bald soll der erste Spatenstich gefeiert werden. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Während Fischfinger Vermessungspfosten aus dem Boden zieht, Alligatoren und Giftschlangen aussetzt, rüstet sich Curly mit Rottweilern und einer Pistole aus. Schützenhilfe bekommt er außerdem von Officer Delinko, der wie Curly um seine Stelle fürchten muss, sollte der Randalierer weiterhin den Baubeginn verzögern. Roy bewundert Fischfingers radikalen Aktionismus und will ihm helfen. Er, dessen Vater als Jurist für die Regierung arbeitet, versucht den Fall allerdings anders zu lösen. Er bringt in Erfahrung, dass die Eulen geschützt sind und dass ohne Sondergenehmigung auf dem Gelände gar nicht gebaut werden darf; außerdem stößt er auf Hinweise, dass eine solche Genehmigung nicht vorliegt. Gegen den Rat seiner Mutter, die nicht glaubt, dass man den Bau irgendwie verhindern kann und die sich vor allem Sorgen um ihren Sohn macht, organisiert Roy eine Demonstration mit seinen Mitschülern und stellt den Vertreter des Unternehmens bei dem medienwirksam inszenierten ersten Spatenstich zur Rede. Dieser behauptet, die Erdlöcher seien verlassen, und triumphiert schon ob fehlender Beweise, als Fischfinger auf sich aufmerksam macht: Er hat sich bis auf den Kopf im Boden vergraben und auf seinem Kopf sitzt eine Eule!

3. Kurzinformationen zum Autor

Carl Hiaasen lebt in Florida und arbeitet als mehrfach ausgezeichneter Kolumnist für den Miami Herald, bei dem er nach dem Studium seine journalistische Laufbahn begann. Literatur schreibt er seit den frühen 1980er Jahren. Seine Romane drehen sich in actionreichen und satirischen Plots um den unentwirrbaren Filz aus Politik, Wirtschaft und Verbrechen, Korruption und Umweltzerstörung. Eulen ist sein erstes Buch für jüngere Leser. Es stand 2003 in den USA auf der Ehrenliste für die Newbery Medal und wurde verfilmt (Hoot. Regie/Drehbuch: Wil Shriner. USA 2006). Hiaasens zweiter Umweltkrimi für Jugendliche ist in Deutschland unter dem Titel Fette Fische erschienen.

4. Allgemeine Einordnung

Die unterhaltsame, witzig geschriebene Geschichte um Profitgier, Zivilcourage und Umweltschutz motiviert jugendliche Leser, sich mit dem vielleicht etwas trocken anmutenden Thema „Umwelt“ auseinanderzusetzen. Sie sensibilisiert für einen wachen, verantwortungsbewussten und politischen Umgang mit der Umgebung. Das Buch hinterfragt, inwieweit der Mensch das Recht hat, in die Tierwelt einzugreifen, und inwieweit er sie schützen muss. Es macht Mut, sich mit gegebenen Tatsachen nicht zwangsläufig abzufinden, sondern sie in Frage zu stellen und nach einem Weg für Veränderung zu suchen. Damit verbindet es Spannung und pädagogischen Ansatz in vorbildlicher Weise. Das Geschehen, die Aufdeckung eines umweltpolitischen Skandals, ist fiktiv, könnte aber durchaus auf einem realen Ereignis beruhen. Unrealistisch erscheinen dagegen die meisten Charaktere des Romans. Fischfinger lebt fast völlig allein und hat Schlangen und Alligatoren als Haustiere, Dana ist nichts als ein hinterhältiger Fleischkloß, Curly hat seit Jahren keinen einzigen Abend ohne Fernseher verbracht und Beatrice ist so stark, dass sie ohne Probleme den übergewichtigen Dana überwältigen und an der Fahnenstange festbinden kann. Für das Verständnis des Textes ist diese Überzeichnung aber durchaus von Vorteil. Die Figuren erschließen sich schnell und gerade Lesern, die zwischen Kindes- und Erwachsenenalter stehen, wird es gefallen, sich mit den beiden Haupthelden zu identifizieren: mit Fischfinger, der mit Trotz, Widerstandsvermögen und enormer Willenskraft die jugendliche Emotionalität verkörpert, und Roy, der zwar auch „von Herzen“ handelt, in erster Linie aber doch schon die rationalere, nachdenklichere und umsichtigere Position des Erwachsenen einnimmt. Auf den ersten Blick scheint das Buch sich mit seinen männlichen Protagonisten, den insgesamt schnell erschließbaren Figuren und der actionreichen Handlung vor allem an ein männliches Publikum zu richten. Doch das Thema der gefährdeten Eulen, die starke Mädchenfigur der Beatrice Leep und die dargestellte Zivilcourage der drei jugendlichen Helden bieten auch Leserinnen ein spannendes Identifikationsangebot.

5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten

Der in 21 Kapitel plus Epilog unterteilte Jugendroman von Hiaasen ist sprachlich unkompliziert, lakonisch, witzig und dabei ungeheuer spannend geschrieben. Um aus dem eigentlich nicht gerade spektakulären Umweltvergehen einen actionreichen Krimi konstruieren zu können, handeln die jugendlichen Protagonisten nicht gerade so, wie man es aus unserem Alltag kennt (vgl. 4.), sondern sind ernstzunehmende Gegenspieler der Erwachsenen. Unabhängig davon wird die Spannung hauptsächlich durch die drei folgenden Aspekte erzeugt:Action: In dem Roman jagt ein Ereignis das andere: Gerade noch wird Roy von Dana gewürgt, im nächsten Moment bekommt er einen Golfball an den Kopf, Curly hat gerade die Alligatoren verkraftet, da muss er schon mit Schlangen kämpfen, Dana versucht, Roy zu zerquetschen, und wird im nächsten Moment schon von Beatrice an den Fahnenmast gefesselt usw. Auch die Figuren sind sich also gegenseitig immer dicht auf den Fersen: Dana lauert Roy auf, Roy spioniert Fischfinger nach, Beatrice und Roy verfolgen Dana und Curly und Officer Delinko werden ständig von ihren Vorgesetzten unter Druck gesetzt.

  • Retardation: Der Roman wird in weiten Teilen aus der Sicht Roys erzählt, wechselt aber immer wieder zur Perspektive von Officer Delinko oder dem Wachmann Curly, vor allem dann, wenn Roy nicht an der Handlung beteiligt ist und die beiden Erwachsenen sich mit ihren Vorgesetzten oder ihrer Arbeit auseinandersetzen. Bei jedem Schwenk wird die Handlung ein wenig gebremst. Die drei Handlungsstränge „Kinder gegen Kinder“, „Kinder gegen Erwachsene“ und „Erwachsene in der Auseinandersetzung mit ihren Vorgesetzten“ laufen meist parallel, überkreuzen sich aber auch hin und wieder. Auf diese Weise wird das Tempo des Romans gebremst und der Leser auf die Folter gespannt. Action und Retardation sind also zwei Seiten einer Medaille.
  • Deadline: Der Roman arbeitet von Anfang an auf einen die Handlung entscheidenden Zeitpunkt hin: Kommt es zum ersten Spatenstich und zum Baubeginn, so werden die jungen Eulen sterben, wird dieser verhindert, verliert Curly seinen Arbeitsplatz und Officer Delinko wird, wenn nicht entlassen, so zumindest nicht befördert. Fischfingers Aktionen zögern dieses Finale immer weiter hinaus und halten die Spannung zudem aufrecht.


6. Didaktische Anregungen

Der Roman lässt sich auf verschiedenen Ebenen analysieren:

  • Erzählerische Ebene: Wie wird im Roman Spannung erzeugt? (vgl. 5.) Wie sind die Charaktere angelegt? Sind die Figuren realistisch? (vgl. 2. und 4.)
  • Informative Ebene: Die Lektüre kann als Einstieg in das Thema „Umweltschutz“ dienen. Referate über Eulen, gefährdete und aussterbende Tierarten (Stichwort Rote Liste gefährdeter Arten) und Umweltinitiativen (Wo kann ich mich informieren, wie kann ich mich engagieren?) bieten sich an. Bei der Erarbeitung könnten Seiten wie http://www.vuz-web.de (Virtuelles Umweltbildungszentrum) und http://www.umweltkids.de hilfreich sein.
  • Kognitive Ebene (Lesen als Erfassen von Sinnzusammenhängen): Die Charaktere werden im Hinblick auf Fragen des Umwelt-/Tierschutzes analysiert: Welche Einstellung haben sie zum Tierschutz? Für welche Systeme stehen die unterschiedlichen Figuren? Wie wollen sie die Eulen schützen? Sind ihre Mittel richtig? Wo sind die Grenzen des Tierschutzes? Das Thema kann in einem weiteren Schritt verallgemeinert werden: Was ist Mut, was Zivilcourage? Wie beurteilen die Schüler Roys Kampf gegen Dana, Mut bei Beatrice Leep, Mut bei Schlangen, die Organisation von Beweismaterial und einer Demonstration, Fischfingers Leben als Outcast und den Kampf um Eulen bis zur Selbstaufgabe? Wo ist die Grenze der Zivilcourage erreicht? Welche Methode wäre sinnvoller, wenn die Eulen nicht geschützt wären? Hätte der Konzern dann das Recht, die Bruthöhlen zu zerstören? Welche Botschaft gibt der Autor den Lesern mit auf den Weg? Gibt es in unserer Gesellschaft heute Zivilcourage und wo wäre sie angebracht? Lässt sich Zivilcourage lernen?

    Abschließend bieten sich Rollenspiele zu den erarbeiteten Themen an:
  • Kapitalistische Idee gegen ökologische: Chuck Muckle, der stellvertretende Direktor des Pfannkuchenunternehmens, diskutiert mit Roy oder Fischfinger. (Welche Argumente könnte man gebrauchen, wenn die Eulen keine bedrohte Art bzw. nicht geschützt wären? Das Buch geht davon aus, dass die Gesetze gerecht sind, was aber wenn Gesetze, die den gerechten Zustand erst herstellen sollen, noch fehlen?)
  • Wann ist Zivilcourage nötig, wann Opportunismus? Roy diskutiert mit seiner Mutter. (Kann der Bau verhindert werden, oder ist die eigene Sicherheit wichtiger?)

    empfohlen von Annette Kautt