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Bitterschokolade. Jugendbuchempfehlung

Mirjam Pressler:

Bitterschokolade

1. Bibliografische Angaben und Lesestufe

  • Mirjam Pressler: Bitterschokolade. Weinheim: Beltz & Gelberg, 2006, 160 S.
  • Lesestufe: 8. Klasse

2. Inhaltsangabe

Die 15-jährige Gymnasiastin Eva leidet unter ihrem starken Übergewicht, das sie für die Ursache all ihrer Probleme hält: „Es gab kein Problem, außer diesem Problem, dem Problem der Probleme. Der Speck war es, diese widerliche, weiche Wabbelschicht, die zwischen ihr und ihrer Umwelt stand, Stoßdämpfer und Kokon, Polster und Eisenring. Nur der Speck war Schuld. Speck bedeutet Traurigkeit, Abseitsstehen, Abgelehntwerden, bedeutet Spott, Angst, Scham.“ (S. 115) Ihr gesamter Alltag ist von permanentem Nachdenken über ihren Körper und dessen Wirkung geprägt: Obwohl sie eine sehr gute Schülerin ist, traut sie sich im Unterricht nicht an die Tafel zu gehen, da sie die Blicke der Mitschüler nicht erträgt. In der Pause versteckt sie sich hinter Büchern, um zu verbergen, dass sie heimlich den Gesprächen über Jungen und Wochenendverabredungen folgt. Beim Umkleiden nach dem Sportunterricht hat sie Komplexe, im Sommer meidet sie das Schwimmbad. Gleichzeitig ist Eva nicht in der Lage, ihr Essverhalten bewusst zu steuern. In ihrer Familie hat sie gelernt, dass man Kummer mit einem guten Essen oder Süßigkeiten lindern könne. Zudem überkommt sie – besonders nachts – der unbändige Drang zu essen; sie geht dann zum Kühlschrank und isst alles, was sie finden kann. Nach den „Fressorgien“ ist sie traurig und enttäuscht. Ihr Essverhalten hat Suchtcharakter, sie befindet sich in einem Teufelskreis (Essen – Frustration wegen ihrer Figur – noch mehr Essen – steigender Frust) – Eva hat eine Esstörung. Im Laufe der Handlung wird Eva immer deutlicher, dass die Ursache ihrer Probleme nicht ihr Körper ist, sondern dass sie die Bedeutung ihrer Figur völlig über- und sich selbst falsch einschätzt. Sie lernt den 15-jährigen Michel kennen, der sie mag und sie als seine Freundin bezeichnet. Michel lebt in einem völlig anderen Umfeld als Eva: Er ist Hauptschüler und kommt aus einem sozial schwachen Stadtteil. Eva ist von der Bestätigung, die sie durch Michel erfährt, überrascht, baut aber innerlich keine tiefe Beziehung zu ihm auf. So ist sein Umzug für sie dann auch kein einschneidendes Erlebnis. Wirklich beeindruckt ist Eva aber von der Reaktion der Mitschüler, als sie sich aktiv gegen die Teilung der Klasse einsetzt: „‚Mensch, Eva,‘ hatte Susanne gesagt. ,Ich habe immer gedacht, du interessierst dich überhaupt nicht für uns. Du bist dir zu gut für uns, habe ich gedacht.‘“ (S. 137) Eva versteht, dass ihre Einschätzung, die Mitschüler wollten mit einer „Dicken“ wie ihr nichts zu tun haben, nicht stimmt: Sie hat vielmehr selbst mit ihrem ausweichendem Verhalten Desinteresse signalisiert. Sie erkennt, dass sie zur Klasse dazugehört und die anderen sie z. B. für ihre guten schulischen Fähigkeiten sehr schätzen. Eva hat nun den Mut, mit ihrer Mutter über gesunde Ernährung zu sprechen und sie um Unterstützung bei einem bewussten Umgang mit Lebensmitteln zu bitten. Die Mutter reagiert sehr aufgeschlossen und herzlich. Den entscheidenden Schub für ihr Selbstwertgefühl erhält Eva allerdings von ihrer Sitznachbarin Franziska, einer neuen Mitschülerin. Franziska bemüht sich immer wieder um Evas Freundschaft und geht sehr herzlich mit Eva um: „Franziska, schlank, mit einem leichten Duft nach Flieder, legte ihren Arm um Evas Hals und gab ihr einen Kuss auf die Backe. ‚Du bist ein Schatz.‘ Eva stand steif und unbeholfen unter dieser Berührung.“ (S. 123) Zunächst kann Eva mit diesen Annäherungen nichts anfangen und nicht glauben, dass Franziska wirklich an ihr interessiert ist. Schließlich lässt sie sich aber auf die Freundschaft ein und geht mit Franziska neue Kleidung kaufen. Beim Anprobieren ist sie sehr ängstlich und unbeholfen, Franziska macht ihr aber immer wieder Mut, z. B. auch modische Farben auszuprobieren und versichert ihr, dass sie in den neuen Sachen gut aussehe. In der Umkleidekabine betrachtet sich Eva im Spiegel mit einer nun völlig veränderten Selbstwahrnehmung: „Und Eva schaute: Sie sah ein dickes Mädchen, mit dickem Busen, dickem Bauch und dicken Beinen. Aber sie sah nicht schlecht aus, ein bisschen auffällig, das schon, aber nicht schlecht. Sie war dick. Aber es musste doch auch schöne Dicke geben. Und was war das überhaupt: schön? Waren nur die Mädchen schön, die so aussahen wie die auf den Fotos von Modezeitschriften?“ (S. 158) Die Erzählung endet mit dieser optimistischen Perspektive, wie es tatsächlich mit Eva weitergeht, bleibt offen und der Fantasie des Lesers überlassen.

3. Kurzinformationen zur Autorin

„Beschädigte Kindheit, das ist mein Thema“, sagte Mirjam Pressler selbst in einem Interview mit der Sächsischen Zeitung. In ihren 30 Kinder- und Jugendbüchern beschäftigt sie sich mit verlassenen und vernachlässigten Kindern, Außenseitern aus schwierigen sozialen Verhältnissen und gesellschaftlichen Randfiguren. Bekannte Werke, die heute auch zum Kanon im Deutschunterricht gehören sind Stolperschritte, Novemberkatzen, Malka Mai und natürlich Bitterschokolade. Die Themen der Bücher entstehen direkt aus der Lebenswirklichkeit der Kinder und Jungendlichen und sind dabei stark von den Erfahrungen der Autorin geprägt: „Meine biographischen Erfahrungen für diese Arbeit sind: 1940 wurde ich als uneheliches Kind in Deutschland geboren, wuchs bei Pflegeeltern im Oma- und Opa-Alter auf, die selbst zur sozialen Unterschicht gehörten. Ich bin geschieden und habe meine drei nun fast erwachsenen Töchter allein großgezogen.“ Gerade der offene und nicht beschönigende Umgang mit Problemen („Literatur bedeutet ja nicht ausschließlich Erheiterung“) und die schnörkellose Sprache der Bücher machen den Erfolg der Autorin aus. Ihr erster Jugendroman Bitterschokolade (1980) wurde mit dem Oldenburger Jugendbuchpreis ausgezeichnet; gleich zweimal erhielt Mirjam Pressler den Deutschen Jugendliteraturpreis. Für ihr Lebenswerk wurde ihr 2004 der Deutsche Bücherpreis des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels verliehen. Mirjam Pressler schreibt nicht nur, sondern übersetzt auch aus zahlreichen Sprachen (Niederländisch, Flämisch, Hebräisch, Englisch, Afrikaans). Besonders zu erwähnen ist dabei natürlich die Übersetzung des Tagebuchs der Anne Frank, zu dem sie auch die Biografie Ich sehne mich so verfasste. Die Autorin lebt heute bei München und steht dort auch für Lesungen zur Verfügung.

4. Allgemeine Einordnung

Bitterschokolade wird von Schülerinnen der 8. Jahrgangsstufe mit hoher Motivation gelesen: Fast jedes Mädchen kennt das Gefühl, sich selbst für übergewichtig zu halten. Jugendliche in diesem Alter denken permanent über den eigenen Körper und ihre Essgewohnheiten nach. Auch die Schwierigkeiten, die sich für Eva aus ihrem Übergewicht ergeben, sind für die Schülerinnen sehr lebensnah, so z. B. die alltäglichen Streitereien mit den Eltern, die erste Beziehung zu einem Jungen oder das Definieren der eigenen Rolle in der Klasse. Leider ist Bitterschokolade ein typisches Mädchenbuch, Eva bietet männlichen Schülern kaum Identifikationsmöglichkeiten, auch wenn die Problematik (Umgang mit dem eigenen Körper, Akzeptanz körperlicher Schwächen) diese ebenso betrifft. Im Unterricht muss daher ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, auch die Jungen an das Thema heranzuführen. Dies gelingt z. B. durch Sachtexte, die auf den Anstieg von Essstörungen bei Jungen eingehen oder literarische Texte, die das Problem aus Sicht eines männlichen Jugendlichen erzählen. Allen Schülern wird sehr schnell deutlich, dass Evas Problem mit ihrem Übergewicht Parallelen zu anderen Schwierigkeiten Jugendlicher aufweist. Oft wird das eigene Aussehen viel zu kritisch gesehen. Diese Selbstkritik führt zu mangelndem Selbstwertgefühl und damit zu Problemen: „Die meisten Leute haben so einen Punkt, von dem sie meinen, wenn das anders wäre, dann wäre die Welt wunderbar. Es ist nämlich einfacher, wenn man vor sich selbst eine Ausrede hat. Ich habe mir zum Beispiel immer eingebildet, wenn meine Nase kürzer wäre, hätte ich mehr Freunde. Nun gut, meine Nase ist gar nicht so lang, aber ich habe lange gebraucht, das herauszufinden.“ (Mirjam Pressler in einem Brief an eine Schulklasse) 5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten Bitterschokolade umfasst 160 Seiten, die in 19 Kapitel unterteilt sind. Der personale Erzähler berichtet aus Evas Sicht chronologisch über wenige Wochen kurz vor den Sommerferien. Oft werden dabei Evas Gedanken direkt wiedergegeben, so dass der Leser sich sehr genau in die Protagonistin einfühlen kann („Sie biss hinein in das Brot, riss den Bissen so heftig los, dass das Brot in ihrer Hand auseinanderbrach. Was gibt es auf der Welt außer Kauen?“, S. 121). Diese Perspektive kann im Unterricht erweitert werden, indem man verschiedene Situationen (z. B. Pausenunterhaltung auf dem Schulhof, S. 8) aus der Sicht einer anderen Person (hier: einer Mitschülerin) schreiben lässt. Die Sprache der Erzählung ist sehr einfach und eignet sich daher für Klassen aller Schulzweige. Bei sehr leseschwachen Gruppen kann man das Buch oder Teile daraus im Unterricht vorlesen.

6. Didaktische Anmerkungen

Überblick über das Unterrichtsvorhaben
Inhaltlich kann man zunächst sehr textimmanent arbeiten, indem man Evas Teufelskreis des Essens, ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung (z. B. mit dem Umschreiben einiger Szenen in die Perspektive der Mutter oder Mitschüler) und das soziale Umfeld (Rolle und Verhalten in der Klasse, Verhältnis zu den Eltern und das Essverhalten der Eltern, die Beziehung zu Michel) näher beleuchtet. Danach wird dann die Textebene verlassen und die Schüler sammeln (evtl. arbeitsteilig) anhand von Sachtexten oder Fallbeispielen Informationen zu verschiedenen Essstörungen, die sie anschließend präsentieren. An dieser Stelle des Unterrichtsvorhabens kann auch fächerübergreifend der Biologieunterricht miteinbezogen werden. Viele Schüler sind sehr daran interessiert, mehr über die Ursachen des Zu- und Abnehmens, die Verbrennung von Kalorien usw. aus naturwissenschaftlicher Sicht zu erfahren. Die Schönheitsideale verschiedener Epochen könnten Thema im Fach Kunst sein („Sie musste lachen, als sie an die Frauen auf den Bildern alter Meister dachte, voll, üppig, schwer. Eva lachte.“, S. 158). Auch der Politikunterricht bietet sich für eine Zusammenarbeit an: Wovon wird unser heutiges Schönheitsideal beeinflusst? Es können z. B. einige Jugend- und Frauenmagazine auf das propagierte Bild einer schönen Frau hin untersucht werden. Aktuellen Diskussionsstoff bieten aber auch immer wieder die Auftritte sehr (zu?) schlanker Frauen in der Öffentlichkeit, so in Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“ (2006), einem Wettbewerb junger Mädchen um einen Modelvertrag mit Heidi Klum in der Jury. Sinnvoll wäre es, einen Experten zum Thema Essstörungen, z. B. einen Mitarbeiter eines jugendpsychologischen Dienstes, einzuladen und die Schüler im Internet nach Hilfsangeboten für Essgestörte recherchieren zu lassen. Einzelne Schüler können auch verschiedene Einrichtungen besuchen und anschließend vorstellen. Die Ergebnisse werden dann auf Lernplakaten festgehalten und der gesamten Schule präsentiert. Ein ungewöhnlicher Abschluss der Unterrichtseihe zu Bitterschokolade kann ein gemeinsamer Kochkurs sein (mit Hauswirtschaftslehrern der Schule oder der örtlichen Volkshochschule zu organisieren). Ziel dieses Kurses ist es, zu lernen, wie man sich gesund ernährt, und zu verstehen, dass es nicht darum geht, Kalorien zu zählen und zu hungern, sondern einfach Gewohnheiten zu hinterfragen, um sich besser zu fühlen (nicht um abzunehmen). Vor der Behandlung von Bitterschokolade muss unbedingt bedacht werden, ob in der Klasse übergewichtige Schülerinnen oder Schüler sind, für die die Lektüre beschämend sein könnte. Dazu sollten sowohl deren Persönlichkeit als auch die zu erwartende Reaktionen der Klassengemeinschaft bedacht werden. Hier ist es dringend zu empfehlen, mit dem Klassenlehrer oder ggf. auch mit möglicherweise betroffenen Schülern ein Vorgespräch zu führen. 

Produktionsorientiertes Schreiben: Übernahme anderer Perspektiven
Die Erzählung ist aus Evas Sicht geschrieben und gibt somit auch ihre gestörte Selbstwahrnehmung wieder: Eva denkt permanent über die Wirkung ihres Körpers nach und glaubt, weil sie dick sei, könne sie keiner mögen. Um nicht anzuecken, zieht sie sich immer weiter zurück. Die Schüler können diese einseitige Wahrnehmung nur dann begreifen, wenn sie sich in die Rolle der Mitmenschen, also z. B. in die der neuen Mitschülerin Franziska hineinversetzen. Dieses Hineinfühlen in eine andere Person ist für die Schüler zunächst schwierig, daher bedarf es einiger Hilfestellungen. So kann man gemeinsam die Szene auf dem Schulhof auf den Seiten 10–11 als Rollenspiel in der Klasse umsetzen. Während zwei Schüler den kleinen Dialog zwischen Eva und Franziska vortragen (Franziska möchte mit Eva ins Kino gehen, Eva versucht verängstigt abzulehnen), ruft der Lehrer immer wieder „Stopp!“ und friert die Situation ein. Nun sollen die Schauspieler möglichst genau beschreiben, was sie als Eva und Franziska gerade in diesem Moment denken. Sie werden feststellen, dass Franziska Evas Körper zwar wahrnimmt, er für sie aber keine Rolle spielt, während Eva permanent mit ihrem mangelnden Selbstvertrauen kämpfen muss. Die Ergebnisse des Rollenspiels können als innerer Monolog oder Tagebucheintrag von Franziska verschriftlicht werden. Dieselbe Methode bietet sich auch bei anderen Szenen an, in denen Franziska sich bemüht, Eva näher kennenzulernen und sich mit ihr anzufreunden (S. 122 f., S. 134 ff., S. 148 ff., S. 153 ff.). Wenn die Schüler die Textstellen bearbeiten, merken sie, dass Evas Übergewicht für Franziska eine immer geringere Rolle spielt, da sie an dem Menschen Eva interessiert ist und die Äußerlichkeiten nicht mehr sieht. Nun ist ein Rückbezug zu dem Teufelskreis (Tafelbild, s. o.) möglich: Die Schüler sollen erläutern, wie und warum es Eva mit Franziskas Hilfe gelingen kann, den Kreis zu durchbrechen. Anschließend können sie ein Folgekapitel zu der Erzählung schreiben und begründen, warum sie glauben, dass Evas Geschichte so und nicht anders weitergeht.


empfohlen von Christiane Althoff