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About a Boy. Jugendbuchempfehlung

Nick Hornby:

About a Boy

Nick Hornbys About a Boy erschien 1998 auf Englisch und Deutsch und wurde hierzulande vor allem durch die Verfilmung (Untertitel: Der Tag der toten Ente) mit Hugh Grant bekannt. Es handelt sich dabei nicht ausdrücklich um einen Jugendroman, doch sowohl von der Thematik als auch vom sprachlichen Anspruch her eignet sich About a Boy zur Lektüre ab der 9. Klasse, wobei sich ein fächerverbindender Unterricht mit dem Fach Englisch – zumindest in höheren Klassenstufen – anbietet.

1. Bibliografische Angaben und Lesestufe

  • Nick Hornby: About a Boy. München: Knaur Taschenbuch, 2003, 320 S. (übersetzt von Clara Drechsler u. Harald Hellmann, Originaltitel: About a boy, englische Ausgabe bei Cornelsen)
  • Lesestufe: ab 9. Klasse

2. Inhaltsangabe

Der 12-jährige Protagonist Marcus lebt seit der Trennung der Eltern bei seiner Mutter Fiona und versucht, sich mit deren stets nur kurzlebigen Männerbekanntschaften zu arrangieren. Gerade ist er von Cambridge nach London gezogen und sieht seinem ersten Tag in der neuen Schule mit Angst entgegen – zu Recht, denn auch hier wird er mit seinem altmodischen Haarschnitt und uncoolen Kleidungsstil schnell als Außenseiter abgestempelt. Außerdem ist er schüchtern und singt, ohne es zu merken, im Unterricht. Auch seine Mutter, die haarige Mohair-Pullover trägt und Marcus ihre strikt alternative und vegetarische Lebensweise aufzwingt, erscheint ein bisschen seltsam. Der zweite Protagonist, Will Freeman, ist erwachsen, wohlhabend und cool und damit das genaue Gegenteil von Marcus. Sein Reichtum ist allerdings nicht erarbeitet, sondern basiert auf den Tantiemen eines Weihnachtsliedes, das sein Vater vor vielen Jahren komponiert hat. So führt Will das Leben eines oberflächlichen, modebewussten Junggesellen, der keinerlei Verantwortung übernehmen will. Damit diese beiden sich begegnen, entwickelt Hornby einen raffinierten Plot: Will lernt Angie, eine alleinstehende Mutter, kennen und entdeckt plötzlich eine neue Zielgruppe für seine amourösen Avancen: Alleinerziehende Frauen, meint Will, seien ausgehungert nach Bewunderung und Sex und somit für ihn leichte Beute; da sie alle noch ihren Ex-Männern nachtrauerten, sei auch eine feste Bindung nicht zu befürchten. Darum beschließt er, direkt in ihrem Revier zu wildern, legt sich einen fiktiven 2-jährigen Sohn Ned zu und besucht eine Selbsthilfegruppe Alleinerziehender mit dem Namen SPAT (Single Parents Alone Together, übersetzt: alleinerziehende Elternteile gemeinsam allein; das Akronym SPAT ist hierbei sicherlich nicht zufällig mit der englischen Vergangenheitsform von spucken identisch!). Dort trifft er Suzie, eine Freundin von Fiona, die Marcus zu einem SPAT-Picknick mitnimmt, um seine depressive Mutter etwas zu entlasten. Als Marcus die Enten im Regent’s Park mit Fionas selbstgebackenem Brot füttern will, erweist sich dieses als tödliches Wurfgeschoss und Will muss Marcus aus den Fängen eines erbosten Parkaufsehers retten. Dieses denkwürdige Ereignis geht als „Tag der toten Ente“ in den Roman (und Filmtitel) ein, führt es doch dazu, dass Will zugegen ist, als Suzie Marcus nach Hause bringt und sie alle Fiona vorfinden, die versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Nachdem Fiona mit ausgepumptem Magen aus dem Krankenhaus zurückgekehrt ist, verändert sich das Zusammenleben von Mutter und Sohn: Sie ist das wandelnde schlechte Gewissen, er ist traumatisiert und sucht voller Angst nach Anzeichen erneuter Selbstmordgedanken. Um sie und auch sich abzulenken, nimmt Marcus Wills leichtfertig dahingesagtes Versprechen, etwas gemeinsam zu unternehmen, beim Wort und ruft ihn an. So entwickelt sich ganz allein durch Marcus’ Hartnäckigkeit eine Beziehung zwischen Will und Marcus, die nur letzterer wohl als Freundschaft definieren würde. Fiona ist entsetzt, als sie erfährt, dass Will ihrem Sohn teure Schuhe gekauft hat und vermutet in ihm gar einen Kinderschänder. Marcus’ Dickköpfigkeit siegt erneut, nun über die Vorbehalte seiner Mutter, gegen die er sich zum ersten Mal durchsetzt. Schließlich versucht er sogar, Fiona und Will zu verkuppeln, allerdings ohne Erfolg. Seine nun fast täglichen Besuche bei Will – die er nur durchsetzen kann, indem er droht, Will wegen des erfundenen Kindes auffliegen zu lassen – ermöglichen es Marcus, ungestört fernzusehen und Fleisch zu essen. Er lernt, welche Klamotten cool sind und hört Musik, die dem Geschmack seiner Altersgenossen deutlich eher entspricht als die Balladen seiner Mutter. Mit Will kann er sogar über seinen Vater und dessen neue Lebensgefährtin Lindsey reden. So kommt es, ohne dass Will genau weiß, wie, zu einer legendären Weihnachtsfeier bei Marcus und Fiona: mit Will, Marcus’ Vater, Lindsey, Lindseys Mutter sowie Suzie, bei der Will keine Chancen mehr hat, nachdem sie inzwischen von dem erfundenen Sohn erfahren hat. Der „neue“ Marcus freundet sich in der Schule auf wundersame Weise mit Ellie an: Sie ist älter und größer und für Marcus absolut cool, da sie sich wiederholt gegen die schulische Autorität auflehnt und – wie auch er dank Will – die Rockgruppe Nirvana liebt. Als Ellie vom Tod des Nirvana-Leadsängers Kurt Cobain erfährt, dreht sie durch und landet mit Marcus bei der Polizei, wo sich seine Eltern begegnen und aussprechen. Auch Wills Leben scheint sich zum Guten zu wenden, als er Rachel kennenlernt und sich ernsthaft in sie verliebt. Nun ist es Marcus, der ihm aus der Patsche helfen kann, denn Rachel – sie hat einen Sohn in Marcus‘ Alter – hat Will so verstanden, als sei Marcus sein Sohn. Obwohl die beiden Jungen sich anfangs nicht verstehen und Will schließlich die Wahrheit erzählt, festigt sich die Beziehung zu Rachel und scheint eine Zukunft zu haben. So endet der Roman zwar nicht mit dem Happy End, das er anfangs suggeriert – dass nämlich Fiona und Will ein Paar werden –, doch Fiona hat erkannt, dass ihr Sohn Lebensinhalt genug bietet, auch wenn er ihr neuerdings widerspricht und seinen eigenen Geschmack entwickelt. Durch Ellie ist Marcus nun auch in der Schule anerkannt und hat sich nicht nur von Fiona, sondern auch von Will emanzipiert; er wird in Zukunft seinen eigenen Weg gehen.

3. Kurzinformationen zum Autor


Nick Hornby, Jahrgang 1957 und studierter Literaturwissenschaftler, kam über den Lehrberuf zum Schreiben. About a Boy ist sein dritter Roman nach Fever Pitch (1992) und High Fidelity (1995), in denen er seine Liebe zum Fußball und zur Musik verarbeitet. Sein neuester Roman A Long Way Down erschien 2005. Er ist Vater eines autistischen Sohnes, was möglicherweise die Konzeption der Figur Marcus beeinflusst hat, denn diese zeigt ansatzweise autistische Züge in ihrem Verhalten (Marcus kann nicht erkennen, was ihn eigentlich zu einem Außenseiter macht, und verwirrt seine Mitmenschen mit der Eigenschaft, alles Gesagte wörtlich zu nehmen – in einer Welt, die von Doppelbödigkeit und Ironie geprägt ist).

4. Allgemeine Einordnung


Über Marcus‘ Eigentümlichkeiten kann man aber nicht nur schmunzeln, man kann auch seine Probleme nachvollziehen: Den Schülern steht er anfangs sicher zumindest als Negativbild nahe, jeder kennt einen Außenseiter. Hornbys stets relativ „normale“ Protagonisten mit leichten Macken ermöglichen dem Leser wahlweise eine Identifikation oder auch eine ironisch gebrochene Betrachtung der Alltagswelt. Auch dass die Aufregung um die Band Nirvana und Kurt Cobain in About a Boy, dessen Handlung 1993/1994 spielt, thematisiert wird, ist typisch für Hornby: Stets lässt er aktuelle Trends und Moden in seine Romane einfließen. Lebensnähe, Aktualität und Komik erreichen, dass die meisten Schüler am Ende der Unterrichtsreihe feststellen, dass sie einen relativ umfangreichen Roman (die deutsche Taschenbuchausgabe hat 320 Seiten!) gelesen und sogar Spaß daran gefunden haben.

5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten


Hornby gelingt es auch auf sprachlicher Ebene hervorragend, sich in die Lage eines 12-Jährigen zu versetzen und dabei nicht verkrampft jugendlich zu wirken. Marcus‘ oben genannte Marotten bürgen für Komik, ohne dass sich der Autor über seinen Protagonisten lustig macht. Ebenso klar wie die Sprache ist der Romanaufbau: Die 36 Kapitel sind immer abwechselnd aus der personalen Perspektive von Marcus und aus der von Will geschrieben, so dass die beiden als Reflektorfiguren fungieren. Während Marcus durch seine Naivität und kommunikative Inkompetenz für Komik sorgt, sind es bei Will die Lügengeschichten, in die er sich verstrickt. Mit großer Liebe zum Detail beschreibt Hornby Wills Vorbereitungen auf das Eltern-Kind-Picknick (er kauft einen Kindersitz für sein Auto – einen Sportwagen! – und zerkrümelt Chips darauf). Will versucht die Existenz eines Sohnes Ned zu demonstrieren, nur um dann immer wieder Ausreden erfinden zu müssen, warum Ned wieder einmal nicht mitkommen konnte. Den Namen von Neds Mutter erfährt er von Suzie – er selbst hat ihn schon wieder vergessen. Das ist auch kein Wunder, denn Wills Universum kreist um Will. Seine dauernde Selbstbeobachtung und -analyse (z. B. wenn er sich Punkte auf einer Coolness-Skala zuteilt) tragen ebenfalls zur Komik des Romans bei. Anlass zur Diskussion bietet schon der  Titel des Romans: Ist wirklich Marcus der Boy, was rein biologisch zutreffend wäre? Ist es nicht eigentlich viel eher Will, der – zumindest am Anfang des Romans – kindisch und verantwortungslos handelt und denkt, und der erst im Verlauf der Handlung zum Mann und potentiellen Vater heranreift? So könnte man den Roman als doppelten und entgegengesetzten Entwicklungsroman lesen: Will, der Mann, benimmt sich zu Beginn wie ein Junge und erwirbt Reife und Verantwortung. Marcus, das Kind, ist durch seine Lebensumstände anfangs viel zu erwachsen und mit der Verantwortung für seine suizidgefährdete Mutter überfordert. Erst durch Will lernt er kindgerechtes Verhalten und Auftreten kennen, bis er sich in seine Klassengemeinschaft integriert hat. Beide Protagonisten wachsen also, bedingt durch die Entwicklung des anderen, in ihr wahres Alter hinein.

6. Didaktische Anregungen

Thematisch bietet der Roman verschiedene Möglichkeiten der Schwerpunktsetzung:

  1. About a Boy als Entwicklungsroman
    Hierbei wäre die oben beschriebene gegenläufige Entwicklung von Marcus und Will zu untersuchen, wobei das Ende, eventuell unter Formulierung von Alternativen, besonders berücksichtigt werden sollte.
  2. About a Boy als Familienroman
    Alleinerziehende Elternteile und Patchworkfamilien kennen die Schüler sicher aus eigener Erfahrung oder ihrem Umfeld. Für den Roman stellt sich die Frage, inwieweit Will eine Vaterfigur darstellt und ob Fiona als typische alleinerziehende Mutter gelten darf. Auch die Auswirkungen von Marcus’ familiärer Situation auf sein Außenseitertum in der Schule können analysiert werden.
  3. About a Boyals Jugendroman
    Schon die wichtige Rolle, die aktuelle Musik (Nirvana) gegenüber der der Elterngeneration (Joni Mitchell) im Roman spielt, dürfte Jugendliche interessieren und motivieren. Aber auch der vorherrschende Markenwahn und Konsumterror an Schulen und in Cliquen bieten Analyse- und Gesprächsstoff.
  4. About a Boy im fächerverbindenden Unterricht
    Eben dieser musikalische Schwerpunkt ließe sich im Musikunterricht mit einer Analyse der im Roman namentlich genannten Lieder setzen, eingebettet in eine Geschichte der Unterhaltungsmusik der letzten 30 Jahre. Im Englischunterricht könnte man zum einen die Liedtexte untersuchen, zum anderen natürlich auch ausgewählte Textstellen des Originals mit der deutschen Übersetzung vergleichen.
  5. About a Boy als Literaturverfilmung
    Chris und Paul Weitz haben Hornbys Roman 2002 verfilmt und besonders durch die Besetzung der Rolle Wills mit Hugh Grant ein weites Publikum erreicht. Das Drehbuch von Peter Hedges weicht jedoch an einigen Stellen (besonders am Ende) vom Roman ab: So wird z. B. das Schlüssellied Both Sides Now von Joni Mitchell im Film zu Killing Me Softly von Roberta Flagg. Wie die Brüder Weitz die personale Erzählperspektive filmisch gelungen umsetzen, ist nur ein Aspekt, der in der Filmanalyse zur Sprache kommen sollte; auch die Besetzung und Ausstattung (Kostüme, Interieurs) bieten Diskussionsstoff.

Alle genannten Untersuchungsschwerpunkte überschneiden sich natürlich und können miteinander kombiniert werden. Methodisch bietet der Roman ebenfalls viele ansprechende und motivierende Möglichkeiten. Aufgrund des Umfangs bietet es sich an, die Schüler ein Lesetagebuch führen zu lassen. Hierbei muss der Lehrer entscheiden, ob sich dieses auf den gesamten Roman beziehen soll oder ob die eine Hälfte der Schüler auf den Will-Erzählstrang, die andere auf Marcus’ Werdegang achten soll. Eine solche Zweiteilung hat sich im Unterricht bewährt: Einerseits erspart sie der Klasse Zeit und Arbeit, andererseits können die Schüler so ihre gegenseitigen Wissenslücken in Partnerarbeit auffüllen. Wenn die Schüler nicht bereits vor der Behandlung im Unterricht den gesamten Roman gelesen haben, sollte man sie immer wieder zwischendurch über den Ausgang des Romans spekulieren lassen. Viele werden vorhersagen, dass Will und Fiona ein Paar werden, und so lässt sich am Ende gut thematisieren, warum Hornby sich gegen ein Hollywood-Ende entschieden hat. Auch kreative Texterschließungsverfahren können angewendet werden, da der Roman viele Leerstellen aufweist. So erscheint Marcus’ Vater z. B. erst relativ spät im Roman. Es bietet sich an, die Schüler die Perspektive wechseln zu lassen (sie lernen den Vater nur über Marcus’ Gedanken, die wiederum von Fionas Ablehnung beeinflusst sind, kennen): Sie sollen sich in die Rolle des Vaters hineinversetzen (und z. B. einen Brief an Marcus nach Fionas Selbstmordversuch schreiben) oder ihn in einem Dialog mit Will konfrontieren. Ebenso können die Schüler Marcus’ Gefühle nach Fionas Selbstmordversuch besser nachempfinden, wenn sie als Marcus eine Antwort auf Fionas Abschiedsbrief verfassen. Besonders als Vorbereitung zur Filmanalyse empfiehlt es sich, die Schüler ein ausgewähltes Kapitel (oder einen kürzeren Textauszug) in ein Drehbuch umschreiben zu lassen, wobei sie viel über Regieanweisungen lernen und ihre Fassung (im Idealfall mit der Videokamera tatsächlich verfilmt) mit der Version der Brüder Weitz vergleichen können. Dies ließe sich ohne Probleme zu einem semesterübergreifenden Projekt ausdehnen – warum nicht zum Schuljahresende den Mitschülern eine Verfilmung oder Theateraufführung präsentieren? Aber auch mit traditionellen Methoden der Textinterpretation lässt sich der Roman gut untersuchen. Der strenge Aufbau mit den alternierenden Perspektiven von Marcus und Will sowie die konsequent eingehaltene personale Erzählsituation eignen sich zur Einführung in die Romananalyse auch in der Mittelstufe. Während der Roman eher arm an rhetorischen Stilmitteln ist und nur einige Metaphern aufweist, stellen die Dialoganteile darin eine hervorragende Grundlage für die Untersuchung von Kommunikationssituationen und -störungen dar. Da Marcus das Dekodierungsorgan der Ironie völlig fehlt, kommt es immer wieder zu komisch wirkenden Missverständnissen, wodurch es Hornby meisterhaft gelingt, die Phrasenhaftigkeit und Verlogenheit zwischenmenschlicher Kommunikation im Alltag zu karikieren. Dies ist nur ein Aspekt der Leserlenkung im Roman, den die Schüler untersuchen können: Wie wird eigentlich Komik erzeugt? Und ist dieser Roman nun trotz depressiver Mutter und gescheiterter familiärer Beziehungen komisch oder doch eher tragisch? Wenn es den Schülern gelingt, diese Fragen nicht nur zu beantworten, sondern selbst solche Fragen an den Autor oder das Buch entwickeln, ist das Unterrichtsziel erreicht.


empfohlen von Verena Jaenicke