Rokal der Steinzeitjäger von Dirk Lornsen. Jugendbuchempfehlung
Dirk Lornsen:
Rokal der Steinzeitjäger
1. Bibliografische Angaben und Lesestufe
- Dirk Lornsen: Rokal der Steinzeitjäger. Neubearbeitung. Stuttgart (u. a.): Klett, 2007, 144 S. (mit Illustrationen und Materialien zusammengestellt von Rolf Palm)
- Lesestufe: 5.–7. Klasse
2. Inhaltsangabe
Dirk Lornsen erzählt die Geschichte von Rokal, einem Jäger der ausgehenden Altsteinzeit. Dieser ist nach einem Vulkanausbruch der einzige Überlebende seiner Siedlung. Er kommt schwer verletzt zu einer anderen Jägergemeinschaft und wird von dieser gesund gepflegt und als festes Mitglied aufgenommen. Mit seinem neuen Freund Faskon erlebt er Abenteuer auf der Jagd und bei der Beschaffung von wichtigen Gütern wie Salz oder Feuerstein und durch innovative Ideen trägt er zum Wohl der Gemeinschaft bei. Aber nicht jeder in der Siedlung ist ihm freundlich gesinnt: Wegen des Neuankömmlings kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Faskon und dem Jäger Kerk. Dieser und seine Freunde werden von da an zu Faskons und Rokals Feinden. Der Konflikt eskaliert auf einer Mammutjagd, als Kerk und sein Freund Lagun einen Mordanschlag auf Faskon planen, der jedoch misslingt. Lagun kommt dabei unter tragischen Umständen zu Tode, was für Kerk Anstoß zum Umdenken ist. Die Jagdgemeinschaft hat somit am Ende der Geschichte ihren inneren Frieden wiedergefunden. Neben dieser fiktiven Geschichte vermittelt der Autor weitreichende Kenntnisse über das Leben in der Steinzeit, unterstützt durch die Illustrationen und Materialien von Rolf Palm. Der Leser erfährt, wie die Menschen damals jagten, welche Werkzeuge sie besaßen und wie das Leben in der Gemeinschaft organisiert war.
3. Kurzinformationen zum Autor
Dirk Lornsen (geb. 1957) studierte Vor- und Frühgeschichte und arbeitete an verschiedenen Ausgrabungen mit. Indem er bei der Beschreibung der Werkzeuge, Jagdwaffen, Behausungen und auch der sozialen Struktur der Jagdgemeinschaft die Kenntnisse der wissenschaftlichen Archäologie verarbeitet, vermittelt er Kindern und Jugendlichen durch das Jugendsachbuch Rokal der Steinzeitjäger ein realistisches und lebendiges Bild vom Leben der Menschen am Ende der Altsteinzeit. Als Hauptquelle dienten ihm die Ausgrabungen der Siedlung Gönnersdorf. Diese gekonnte Mischung aus lebendiger Erzählung und Wissensvermittlung über eine längst vergangene Epoche ist wohl maßgeblich für den Erfolg des Buches verantwortlich. Zudem begeistern Lornsens zahlreiche Auftritte in Schulen, bei denen er nicht nur vorliest, sondern auch nachgebaute Werkzeuge der Altsteinzeit vorführt. Heute lebt Lornsen als freier Schriftsteller auf Sylt und in Würzburg. Für seine schriftstellerischen Leistungen erhielt er den Friedrich-Hebbel-Preis.
4. Allgemeine Einordnung
Das Jugendsachbuch Rokal der Steinzeitjäger kann im Deutschunterricht der unteren Klassen der Sekundarstufe I auf vielfältige Weise gewinnbringend eingesetzt werden. Sowohl die fiktive Geschichte als auch die Sachinformationen können in den Mittelpunkt der Besprechung gerückt werden. Ersteres ist vor allem in den Jahrgangsstufen 5 und 6 zu empfehlen, da die Handlung leicht verständlich und lebendig dargeboten wird. Die in der Jagdgemeinschaft auftretenden Konflikte (wie Eifersucht/Neid) sind bis heute für jede soziale Gruppe von Bedeutung und könnten insofern schwerpunktmäßig thematisiert werden. In den Klassen 6 und vor allem 7 bietet es sich an, die Buchbesprechung mit der Aufsatzerziehung zu verknüpfen, da die Beschreibung der altsteinzeitlichen Gegenstände gut als Grundlage zum Verfassen einer eigenen Vorgangsbeschreibung verwendet werden kann (siehe dazu unten).
5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten
Rokal der Steinzeitjäger ist in elf Kapitel aufgeteilt. Die Handlung wird überschaubar und leicht verständlich erzählt, genauso sind Satzbau und Wortwahl kindgerecht. Trotzdem ist das Buch spannend und abwechslungsreich. Der Beginn (Vulkanausbruch) weckt sofort die Neugier des Lesers und Lornsen versteht es, diese während der gesamten Lektüre aufrechtzuerhalten, indem er den Protagonisten verschiedene, zum Teil lebensbedrohliche Konflikte durchlaufen und meistern lässt. Die sachlichen Informationen zu Werkzeugen und Jagdwaffen werden geschickt in die fiktionale Handlung eingebaut und wirken trotz ihrer Detailliertheit nie ermüdend auf den Leser. Dem Autor gelingt es, die verschiedenen Gegenstände mit dem entsprechenden Fachvokabular kindgerecht und anschaulich zu beschreiben. Dank der Bilder im Anhang erhält der Leser auch einen optischen Eindruck. Insofern wird den Jugendlichen auf eine leichte und ungemein anschauliche Art und Weise profundes Sachwissen über die Altsteinzeit vermittelt. Dieses kann den schulischen Unterricht in verschiedenen Fächern bereichern (z. B. Geschichte, Kunsterziehung). Interessant und gut bei der Lektürebesprechung zu verwenden ist zudem der ausführliche Anhang mit Informationen und Materialien zum historischen Hintergrund.
6. Didaktische Anregungen
Die Besprechung eines Jugendsachbuchs wie Rokal der Steinzeitjäger mit der Einübung der Vorgangsbeschreibung zu koppeln, erscheint, wie oben bereits angedeutet, sinnvoll: Texte sind aus unterschiedlichen Makrohandlungen aufgebaut, und das Beschreiben kommt in aller Regel als Passage vor. Es sollte deshalb didaktisch nicht vom Ausnahmefall des ganzheitlichen Beschreibungstextes ausgegangen werden, sondern vom Regelfall der Einbettung des Beschreibens in narrative, explikative, appellative, argumentative Zusammenhänge. (H. Feilke: Basisartikel Beschreiben und Beschreibungen. In: Praxis Deutsch, 182/2003, S. 9) Gerade der übliche Deutschaufsatz mit dem Thema „Beschreibe …“ lässt diese Einbettung in einen narrativen Zusammenhang jedoch vermissen und kann deswegen zum Teil recht gekünstelt wirken. Fehlt dieser Kontext, wird es für die Schüler auch schwierig, sich einen Adressaten und dessen Bedürfnisse präzise vorzustellen. Das Buch Rokal der Steinzeitjäger vermittelt durch die Einbettung in eine fiktionale Geschichte hingegen, warum Beschreibungen sinnvoll und nützlich sind. Bespricht man beispielsweise Rokals Erfindung der Schleppe zum leichteren Transport von Salzsteinen mit den Schülern, so werden sie merken, dass der Sinn dieser Vorgangsbeschreibung ein zweifacher ist: Zum einen muss Rokal die Erfindung der Schleppe seinem Freund Faskon genau erklären, damit dieser bei der Konstruktion mithelfen kann. Erfindungen können also nur durch exakte Beschreibungen verbreitet und damit längerfristig nutzbar gemacht werden. Zum anderen dient die genaue Beschreibung auch dazu, dass sich der Leser die ihm unbekannte Erfindung besser vorstellen kann und sie beispielsweise auch selbst bauen könnte. Die in Rokal der Steinzeitjäger vorgestellten Gegenstände können fast alle relativ leicht nachgebaut werden – ein weiterer Grund, warum sich eine Verbindung dieses Buches mit dem Thema Vorgangsbeschreibung anbietet. Das benötigte Material (v. a. Holz, Stein) findet sich in der Natur oder in jedem Baumarkt. Der Bau eines Gegenstandes erfolgt anhand der vorher erstellten Vorgangsbeschreibung und dient insofern auch der Überprüfung des Textes hinsichtlich Genauigkeit und Folgerichtigkeit. Aus Gründen der Zeitökonomie wäre an dieser Stelle eine Zusammenarbeit mit dem Kunstlehrer sinnvoll. Viele der im Buch dargestellten Werkzeuge können für die Vorgangsbeschreibung verwendet werden, so z. B. die schon oben erwähnte Schleppe, der Bau einer Harpune oder der Vorgang des Feuerbohrens. Die Bilder im Anhang helfen den Schülern bei der genauen Benennung des Materials und bei den einzelnen Konstruktionsschritten.
Mögliche Unterrichtseinheit mit Unterrichtsskizze der ersten Stunde
Um Literaturunterricht und Aufsatzerziehung zu verknüpfen, bietet es sich an, die Schüler ein neues Kapitel zu Rokal der Steinzeitjäger verfassen zu lassen, das schwerpunktmäßig die Beschreibung eines Gegenstandes beinhaltet. Ausgehend von den im Buch beschriebenen geschnürten Steinäxten könnte beispielsweise die Weiterentwicklung zu einer gebohrten Steinaxt thematisiert werden. Während ursprünglich der Kopf der Axt mit einem Bindematerial wie Bast oder Tiersehnen am Stiel befestigt worden war, setzte man später den durchbohrten Axtkopf direkt auf den Stiel. Eine solche gebohrte Axt war deutlich haltbarer und vor allem weniger verletzungsträchtig. Um die für die Herstellung notwendige Bohrung durchführen zu können, braucht man eine weitere Neuerung der ausgehenden Altsteinzeit, den Steinbohrer: Ein an einer entsprechenden Vorrichtung befestigter Holzstab schmirgelt sich mithilfe von Quarzsand durch den festen Stein. Genauere Bauanleitungen für einen Steinbohrer finden sich im Internet (z. B. http://www.tukatak.de/geschichtswerkstatt/steinzeit/bau-sb-masch.htm [Stand: 11/2006]). Zunächst muss die Herstellung einer gebohrten Steinaxt formuliert werden und erst dann wird diese Vorgangsbeschreibung in ein neues Kapitel eingearbeitet. In dem erzählerischen Rahmen müssten die Schüler klären, durch welches Ereignis Rokal zum Bau einer gebohrten Axt motiviert wird (z. B. Verletzungsgefahr bei der Arbeit mit geschnürten Steinäxten), wie er den Gegenstand konstruiert (Vorgangsbeschreibung) und wie die Reaktion der Jagdgemeinschaft ausfällt. Der Aufsatzunterricht wird so mit dem Bereich des kreativen Schreibens geschickt verbunden, was von den Schülern sicherlich als dankbare Abwechslung aufgenommen wird und insofern auch die Motivation steigert. Im Folgenden wird eine genaue Unterrichtsskizze für die erste Stunde der eben beschriebenen Einheit vorgestellt.
Thema der Stunde
Erstellung eines Arbeitsplans zur Vorgangsbeschreibung (Herstellung einer Steinzeitaxt; Schwerpunkt: Steinbohrung), eingebettet in die Handlung des Jugendsachbuchs Rokal der Steinzeitjäger
Stundenziele
Das Ziel der Stunde besteht darin, den Schülern durch die Verbindung von Aufsatzerziehung und Lektürearbeit einen motivierenden Zugang zur Vorgangsbeschreibung zu ermöglichen und dabei zwei verschiedene Bereiche des Deutschunterrichts wechselseitig fruchtbar werden zu lassen. Das bedeutet konkret: Die Schüler sollen zunächst die Weiterentwicklung der Steinaxt verstehen, die zu ihrer Herstellung benötigten Gegenstände benennen und die Funktion des Steinbohrers theoretisch und am Modell nachvollziehen können. Wichtig ist dann, dass die Schüler die einzelnen Arbeitsschritte bei der Durchbohrung eines Steines formulieren können und die Notwendigkeit präziser Formulierungen verstehen. Schließlich sollen sie so Freude an der kreativen und forschenden Auseinandersetzung mit der Schullektüre entwickeln.
Unterrichtsphasen
1. Motivation
Zu Beginn der Stunde wird mittels eines Bildes einer geschnürten Steinaxt (S. 45) an die Geschichte von Rokal und Faskon angeknüpft. Die Schüler benennen deren Funktion und sollen sich über Nachteile dieses Arbeitsgeräts Gedanken machen (Verletzungsgefahr durch geschnürte Befestigung).
2. Hinführung
Der Lehrer erzählt nun eine an das Buch angelehnte Begebenheit: Faskon verletzt sich an seiner geschnürten Steinaxt und bemerkt sodann, dass die Axt seines Freundes Rokal wesentlich stabiler gebaut ist – dieser hat eine gebohrte Steinaxt.
3. Erarbeitung I
Die Schüler erarbeiten die Neuerungen von Rokals Axt und stellen fest, dass zu deren Herstellung ein Steinbohrer gebraucht wurde. Der Lehrer erklärt nun das Ziel der Unterrichtseinheit: Die Klasse soll in den folgenden Stunden ein neues Kapitel zu Rokal der Steinzeitjäger entwickeln und niederschreiben, in dem schwerpunktmäßig die Herstellung einer gebohrten Steinaxt thematisiert wird. Um einen wirklich fundierten Text zu schreiben, müssen sich die zukünftigen Autoren zuerst mit der Herstellung der Steinaxt vertraut machen. Deswegen werden anschließend als erster Schritt die dafür benötigten Materialien benannt und an der Tafel und im Heft festgehalten.
4. Darbietung I
Nun wird ein vorbereiteter Steinbohrer präsentiert und der Klasse zuerst die Notwendigkeit einer genauen Arbeitsanleitung vor Augen geführt. Ein Schüler wird aufgefordert, den Steinbohrer zu bedienen, was aller Voraussicht nach nicht funktionieren wird. So wird deutlich, dass die unabdingbare Voraussetzung für die fachgerechte Bedienung eines technischen Geräts eine exakte Arbeitsanleitung ist. Anschließend führt der Lehrer die einzelnen Arbeitsschritte, die für die Durchbohrung des Steins vonnöten sind, langsam vor und die Schüler sollen diese notieren.
5. Erarbeitung II
Anhand ihrer Aufzeichnung benennen die Schüler die einzelnen Arbeitsschritte und in diesem Zusammenhang wird zudem geklärt, warum der Bohrer überhaupt funktionieren kann, obwohl das viel weichere Holz doch eigentlich keinen Stein durchbohren kann. Die Schüler erkennen, dass die entscheidende „Zutat“ der Quarzsand ist, der den Stein langsam durchschmirgelt. Da die nur grobe Benennung der einzelnen Arbeitsschritte eine fachgerechte Bedienung des Steinbohrers noch nicht garantiert, wird nun der erste Arbeitsschritt gemeinsam präzisiert. Das Ergebnis wird im Heft festgehalten.
6. Vertiefung
Daraufhin sollen die Schüler in Stillarbeit (mindestens 5 Min.) die restlichen Arbeitsschritte ebenfalls genau formulieren.
7. Festigung
Jetzt tragen die Schüler ihre Ergebnisse vor und die einzelnen Arbeitschritte werden, wenn die Formulierungen die nötige Präzision besitzen, an der Tafel und im Heft mitgeschrieben. Ungenauigkeiten werden gleich am Bohrer demonstriert und die Schüler können so ihre Formulierungen selbständig verbessern.
8. Darbietung II
Abschließend soll die Stimmigkeit und Vollständigkeit der einzelnen Arbeitsschritte an dem Steinbohrer überprüft werden. Kann ein Schüler den Bohrer nun bedienen, so ist die Arbeitsanleitung gelungen.
9. Hausaufgabe
Die Hausaufgabe besteht darin, die noch nötigen Arbeitsschritte zur Herstellung der gebohrten Steinaxt (Befestigung des Axtkopfes an dem Stiel) in dem Arbeitsplan zu ergänzen.
empfohlen von Christian Kramer