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Das Gift der Königin von Carolyn Meyer. Jugendbuchempfehlung

Carolyn Meyer:

Das Gift der Königin

1. Bibliografische Angaben und Lesestufe

  • Carolyn Meyer: Das Gift der Königin. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch, 2003, 238 S. (aus dem amerikanischen Englisch von Anne Braun, Originaltitel: Mary, Bloody Mary)
  • Lesestufe: 7.–8. Klasse

2. Inhaltsangabe

Carolyn Meyer erzählt in ihrem Roman Das Gift der Königin von der Kindheit und Jugend Maria Tudors, der Tochter des englischen Königs Heinrich VIII. Die Kindheit der Protagonistin wird zwar ein ums andere Mal durch Verlobungskandidaten und somit Allianzpartner für England gestört, ist aber dennoch zunächst unbeschwert; die Lebensfreude des Kindes wird vor allem durch die Liebe zu und von seinen Eltern getragen. Die wichtigste weitere Bezugsperson in Marias Leben ist ihre Erzieherin, die Gräfin von Salisbury, zu der sie größtes Vertrauen hat. Dennoch muss Maria schon bald – nach ihrer Krönung zur Prinzessin von Wales mit neun Jahren – erfahren, was es heißt, Tochter des englischen Monarchen zu sein: rigorose Erziehung durch den Hauslehrer, ein Leben in verschiedenen Palästen und damit verbunden geographische Distanz zu den Eltern sowie noch immer Verlobungen ohne Mitspracherecht. Auch wenn Maria nicht alles gerne hinnimmt, wird sie doch immer von dem Gedanken vorangetragen, eines Tages Königin von England zu werden. Diese Gewissheit erhält einen schweren Dämpfer, als die Hofdame Anne Boleyn mehr und mehr das Tun und Denken des Königs bestimmt. Maria leidet unter der Gleichgültigkeit, die Heinrich ihr gegenüber an den Tag legt, und der zerbrechenden Ehe ihrer Eltern. Sie erkennt ihren Vater, der ihre Mutter demütigt und sie vernachlässigt, kaum wieder und führt sein Verhalten auf Annes negativen Einfluss zurück. Schließlich wird öffentlich, was man schon lange munkelt: Heinrich will sich scheiden lassen, weil Marias Mutter Katharina von Aragon ihm keinen Sohn geboren hat, was er sich nun von Anne Boleyn erhofft. Offiziell argumentiert er, die Ehe sei ungültig, da Katharina die Witwe seines Bruders ist. Katharina verweigert ihre Einwilligung und Maria wird jeglicher Kontakt zu ihrer Mutter untersagt. Sechs Jahre lang wird die Königin unter Druck gesetzt und der Papst, der mit einer Scheidung ebenfalls nicht einverstanden ist, bedrängt, während die Geliebte immer mehr den Platz an der Seite des Königs einnimmt. Als Anne schwanger wird, heiratet Heinrich sie und lässt sie zur Königin krönen, was vom Volk nicht begrüßt wird. Die Ehe mit Katharina wird annulliert und Maria nun nicht mehr als legitime Tochter betrachtet. Sie verliert folglich ihren Status als Prinzessin von Wales und Thronfolgerin und darf als uneheliches Kind des Königs nur noch den Titel einer Lady führen. Da der Papst die neue Ehe nicht akzeptiert, macht sich Heinrich selbst zum Oberhaupt der anglikanischen Kirche und bricht mit Rom. Alle seine Untergebenen müssen einen Doppeleid ablegen, in dem sie ihn als Oberhaupt der Kirche und Annes Kinder als legitime Thronerben anerkennen. All dies wird von Maria mit Schrecken, aber hilflos verfolgt. Sie hat inzwischen Besitz und Palast verloren, wird von Anne schikaniert und muss als Kindermädchen ihrer neugeborenen Halbschwester Elisabeth arbeiten. Obwohl sie die Todesstrafe befürchten muss, weigert sie sich, den Eid zu unterzeichnen. Sie wird mehr und mehr gedemütigt und sogar eingesperrt, bleibt aber zunächst standhaft. Als ihre Mutter, mit der sie die ganze Zeit über eine geheime Korrespondenz unterhalten hat, stirbt, vermutlich weil sie vergiftet worden ist, darf Maria nicht am Begräbnis teilnehmen. Die Zahl ihrer geheimen Helfer ist nicht klein, aber die Gräfin von Salisbury, deren Sohn Reginald Pole, ihre Freundin und Hofdame Lady Susan, der königliche Botschafter Eustace Chapuys, ihr spanischer Cousin Kaiser Karl und ihr ehemaliges Kindermädchen können Maria nicht aus ihrer ausweglosen Situation helfen; Pläne für eine Flucht auf den Kontinent werden durchkreuzt. Ihr bleibt der Hass auf Anne Boleyn. Als diese wenig später die Gunst des Königs verliert, hofft Maria auf eine Verbesserung ihrer Lage, doch Heinrich hat schon eine neue Königin und potentielle Mutter eines Sohnes in Aussicht: die Hofdame Jane Seymour. Anne wird wegen angeblichen Ehebruchs hingerichtet. Da der König auch immer mehr Menschen umbringen lässt, die den Eid nicht leisten wollen, akzeptiert Maria ihn schließlich als Oberhaupt der Kirche. Damit erkennt sie die Annullierung der Ehe ihrer Mutter als rechtmäßig an und bestätigt ihren eigenen illegitimen Status. Heinrich heiratet schließlich Jane, die für eine leichte Annäherung zwischen Vater und Tochter sorgt. Der Epilog gibt abschließend einen nüchternen Einblick in das weitere Leben Marias und berichtet von den drei weiteren Ehefrauen Heinrichs, seiner Brutalität und seinem Tod; von Marias Krönung nach dem Tod des Halbbruders König Eduard, Janes Sohn; ihrem brutalen Vorgehen gegenüber ihrer Halbschwester Elisabeth und ihrer gewaltsamen Rekatholisierung Englands.

3. Kurzinformation zur Autorin

Carolyn Meyer wurde 1935 in Pennsylvania/USA geboren und lebt heute in New Mexico/USA. Gerade in ihrem Heimatland gilt sie seit über 30 Jahren als erfolgreiche Autorin zahlreicher Romane, Erzählungen und Sachbücher für Kinder und Jugendliche. Sie verarbeitet immer wieder historische Stoffe und setzt dabei ihren Schwerpunkt auf die Geschichte des englischen Königshauses. So ist ein weiterer historischer Jugendroman – Ich, Prinzessin Elisabeth von England – über die jüngere Halbschwester der Protagonistin aus Das Gift der Königin in deutscher Übersetzung erschienen. Beide Romane sind vom Stoff und von der  Herangehensweise sehr ähnlich. Das Gift der Königin wurde 1999 von der American Library Association unter die zehn besten Bücher des Jahres gewählt. Weitere Titel von Carolyn Meyer sind u. a. Isabel, Jewel of Castilla; Anastasia, The Last Grand Duchess; Kristina, The Girl King und Loving Will Shakespeare.

4. Allgemeine Einordnung

„Bloody Mary“ – unter diesem Titel ging Maria I. Tudor (1516 –1558) in die Geschichtsbücher ein. In ihrer Regierungszeit als Königin von England (1553 –1558) erntete sie vor allem durch ihren strengen Katholizismus und die damit verbundene Hinrichtung von über 300 Protestanten zweifelhaften Ruhm. Durch ihr Bemühen, die von ihrem Vater Heinrich VIII. in die Wege geleitete Abspaltung der anglikanischen von der römisch-katholischen Kirche rückgängig zu machen und den Katholizismus wieder zur Staatsreligion zu etablieren, wird ihr Name mit einem der dunkelsten Kapitel der englischen Geschichte in Verbindung gebracht. Das Gift der Königin der amerikanischen Schriftstellerin Carolyn Meyer erlaubt hingegen einen völlig anderen Blick auf die spätere „Bloody Mary“. Die Autorin beschreibt akribisch und historisch größtenteils richtig aus der Perspektive Marias deren schwere Kindheit und Jugend und lässt sie nicht als Täterin, sondern vielmehr in ihrer Rolle als Tochter Heinrichs VIII. als Opfer erscheinen: Marias Aufwachsen ist geprägt von der zerbrechenden Ehe ihrer Eltern und den für ihren Status folgenreichen weiteren Ehen ihres Vaters, der mit schließlich sechs Gattinnen zu einem der schillerndsten Monarchen der englischen Geschichte geworden ist. Dabei versteht es die Autorin auf vortreffliche Weise, die Kindheit und Jugend Marias nachzuzeichnen, ohne dabei den Leser durch die vielen Daten, historischen Ereignisse und Persönlichkeiten zu überfordern. Das Gift der Königin ist deshalb als historischer Roman für die Besprechung in einer 7. und 8. Klasse hervorragend geeignet. Die Spannung für den Roman liefert die Historie selbst und Carolyn Meyer schafft es mit ihrer sympathischen Erzählfigur und durch die Sichtweise eines heranwachsenden Teenagers, den historischen Stoff für jugendliche Leser lebendig und verständlich zu machen. Einer historischen Figur wird ein menschliches und reales Antlitz verliehen, was die Geschichte für die Schüler fassbar und begreifbar macht. Sie erkennen, inwiefern sich die Zeit, in der man lebt, und die Rolle, die man innehat (hier die einer Thronfolgerin), auf die Entwicklung eines jungen Menschen auswirken können. Trotz aller Unterschiede ergeben sich auch Schnittstellen zwischen der Jugendzeit Marias und der eines heutigen Jugendlichen, zum Beispiel was Konflikte im Elternhaus anbelangt. Darüber hinaus liefert der Stoff zwangsläufig Berührungspunkte mit dem Englischunterricht der Unter- und Mittelstufe im Bereich der Landeskunde und mit dem Fach Geschichte.

5. Strukturelle und sprachliche Besonderheiten

Der Roman ist in der Ich-Form aus der Perspektive Marias in einer leicht verständlichen Sprache geschrieben. Diese Erzählweise erlaubt es, in das Innenleben der Hauptperson zu blicken, wodurch die Diskrepanz zwischen den Verpflichtungen eines öffentlichen Amtes und den Gedankengängen eines heranwachsenden Teenagers deutlich wird. Der Roman beginnt mit einem Prolog, in dem Maria ankündigt, Anne Boleyn nicht einmal nach deren Hinrichtung verzeihen zu können, denn „(w)egen dieses boshaften, hinterhältigen Weibes, das sich selbst Königin nannte“ (S. 9) habe sie alles verloren: „meinen rechtmäßigen Platz innerhalb der Familie, die Nähe meiner geliebten Mutter, die zärtliche Zuneigung meines Vaters, meine Aussicht auf eine standesgemäße Heirat. Ich war sogar nahe daran, mein Leben zu verlieren.“ (S. 9 f.) Mit ihrer anschließenden Lebensgeschichte – von ihrer Kindheit und der ersten Begegnung mit Anne bis hin zu dem Zeitpunkt, als das „Gift der Königin“ bei ihrem Vater Wirkung zeigt und schließlich Maria in eine tiefe Krise stürzt – versucht die Protagonistin, dem Leser die Gründe für dieses harsche Urteil näherzubringen, und hofft auf Verständnis: „Hört euch zuerst meine Geschichte an.“ (S. 10) In den anschließenden 21 Kapiteln arbeitet Maria die Ereignisse also in der Retrospektive auf. Ein Stammbaum des Herrschaftshauses der Tudors ist dabei für das Leseverständnis sehr hilfreich. Die historische Einordnung des Geschehens erleichtert der Epilog, der Marias weiteren Lebensweg bis zu ihrem Tod skizziert.

6. Didaktische Anregungen

Interessant für den Unterricht ist es zu untersuchen, wie sich die historischen Ereignisse in der persönlichen Sichtweise der Protagonistin widerspiegeln, denn die durch die Erzählperspektive bedingte subjektive Darstellung ist eine Problematik, die der Reflexion der Schüler bedarf. Die Diskrepanzen und Übereinstimmungen zwischen historischen Fakten und fiktivem subjektiven Empfinden können anhand von Meyers Roman gut nachvollzogen und problematisiert werden. Indem man die Klasse vor dem Lesen in die Thematik einführt, kann man zudem verhindern, dass der Roman die jugendlichen Leser aufgrund der Fülle an historischen Personen, Schauplätzen, Ereignissen und Wendungen zunächst überfordert. Die Schüler sammeln also Informationen zu dem historischen Kontext und vergleichen diese anschließend mit den Ausführungen Marias im Roman. Für diese Vorarbeiten stellt man z. B. als arbeitsteilige Gruppenarbeit „Expertenteams“ zusammen, die sich im Vorfeld mit wichtigen Personen des Romans auseinandersetzen und während der Lektüre ihr „Expertenwissen“ um die jeweilige Figur einbringen, indem sie die recherchierten Fakten mit der Fiktion des Romans vergleichen. Das dafür nötige Wissen über z. B. Heinrich VIII., Katharina von Aragon, Chapuys, die Gräfin von Salisbury, Anne Boleyn, Elisabeth oder Maria selbst kann über Quellen des Englisch- oder Geschichtsunterrichts oder das Internet herangezogen werden. Diese Ergebnisse könnten auf Plakaten gesammelt und ausgestellt werden und so als Grundlage des Vergleichs dienen. Neben dieser grundsätzlichen Herangehensweise bietet die inhaltliche Fülle des Romans zahlreiche Themen für den Unterricht, wie zum Beispiel:

  • Der Falke als Metapher für Marias Streben nach Freiheit (Kapitel IV)
  • Annes Gift beginnt zu wirken – die Veränderungen bei Heinrich
  • Die Scheidung zwischen Heinrich und Katharina und ihre Folgen
  • Maria wird zum „Bastard“ – Begriffserklärung
  • Marias Begegnungen mit Anne – ein Vergleich zwischen Kapitel I und XIII
  • Marias Helfer – machtlos!
  • Marias Doppeleid und seine Folgen
  • Annes Hinrichtung – Zeit zur Vergebung?
  • Jane Seymour – Hoffnung für Maria?

Im Folgenden wird ein konkretes Unterrichtsbeispiel zu einem ausgewählten Thema vorgestellt.

Konkretes Unterrichtsbeispiel: Das Leben einer Prinzessin
Marias Leben und damit auch ihre Kindheit und Jugend hängen zwangsläufig mit ihrer eigentlichen Rolle als Thronerbin Heinrichs VIII. zusammen. Sie ist zwar eine Prinzessin, aber ihr Leben ist alles andere als „märchenhaft“. Die Schüler müssen erkennen, dass es sich bei Das Gift der Königin eben nicht um ein Märchen, sondern um einen historischen Roman handelt. Demnach wird hier die Kindheit Marias nicht verherrlicht, sondern vielmehr in ihrer historischen Realität dargestellt. Das Leben am Hof war nicht durch Freiheit, sondern vor allem durch Einschränkung der eigenen Persönlichkeit gekennzeichnet. Unter diesem Konflikt leidet auch Maria, was durch die sehr persönliche Erzählweise des Romans deutlich unterstrichen wird. Dies zu erkennen und zugleich zu problematisieren, ist das vorrangige Ziel dieses Unterrichtsbeispiels.

1. Einstieg/Hinführung
Zunächst sollen die Schüler anhand ihrer eigenen Erfahrungen sammeln, was ihrer Meinung nach eine glückliche Kindheit ausmacht. Zu erwartende Ergebnisse sind etwa Zuneigung, gefestigtes Elternhaus, Freunde und ausreichend Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. Anschließend wirft der Lehrer die Frage auf, ob sich die genannten Aspekte in der Kindheit einer Prinzessin, wie Maria sie darstellt, wiederfinden lassen.

2. Erarbeitung
Die Schüler sollen anhand des zweiten Kapitels „Verlobungen“ (S. 24–31) herausfinden, wie es sich mit dem Thema „Freiheit“ in Marias Kindheit verhält. Es wird relativ schnell ersichtlich, dass bei der Wahl eines geeigneten Ehemanns nicht Marias Wille, sondern allein der ihres Vaters und somit die politischen Interessen des Landes von Bedeutung sind. Bereits die Aussage Salisburys, dass eine Tochter „natürlich nicht denselben Wert wie ein Sohn“ (S. 26) habe, sollte die Schüler stutzig machen. Maria sei vielmehr „ein wertvolles Instrument, um Allianzen mit Königen und Königreichen einzugehen“, das „in Staatsangelegenheiten ohnehin nicht mitzureden“ (ebd.) habe. All dies gipfelt in der Bemerkung „Es geht nicht um Euer Glück, Madam.“ und in der anschließenden Erkenntnis Marias: „Ob ich glücklich war, spielte keine Rolle – niemals!“ (ebd.)

3. Vertiefung I
Diese Aussagen werden an der Tafel gesammelt und unter der Fragestellung nach Konsequenzen für Marias Leben problematisiert. Das Leben der Prinzessin erscheint dabei als wenig erstrebenswert – trotz all der Annehmlichkeiten,
die man als Königstochter genießen darf, hat man auch Verpflichtungen, welche die persönliche Freiheit stark eingrenzen.

4. Vertiefung II
Anschließend wird Katharinas Erklärung der Krönung Marias zur Prinzessin von Wales im darauffolgenden Kapitel besprochen: „Das bedeutet, dass dein Vater beschlossen hat, dass du eines Tages Königin wirst.“ (S. 32) Welche Konsequenzen hat diese Aussage für Maria? Wie frei ist eine Königin wirklich? Welche Vorteile bringt dieses Amt? – Dies sind mögliche Fragen, die die Schüler diskutieren sollten, um sich klarzuwerden, dass eine solche Position einen nicht zu lösenden Konflikt zwischen Amtserfüllung und persönlicher Freiheit hervorruft. Maria erscheint somit als unfrei, als Marionette eines Machtspiels.

5. Vertiefung III/Weiterführung
Um die angesprochenen Inhalte in die Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts zu holen, können gesammelte Zeitungsartikel oder Fotos dienen, die Mitglieder des derzeitigen englischen Königshauses und deren Kampf mit der Presse um ihre persönliche Freiheit darstellen. Dadurch wird deutlich, dass sich die Zeiten zwar geändert haben, aber das Problem im Grunde noch existiert. Somit wird den Schülern die Aktualität von Meyers Roman deutlich, der zwar historisch, aber keineswegs „verstaubt“ ist.


empfohlen von Matthias Schneider